Tom Blattmann (Blogs & Content seit 2006, 15 Jahre Urban Club-DJing)
Tom:
Was war euer erster Rap – Moment an dem ihr dachtet „Wow, davon will ich auch
ein Teil sein!“
Tomahawk: Ich hörte
einen Text von einem Kollegen, wo ich nachher so dachte „ich will auch was
schreiben“. Das war Ende 1995. Den Zugang zu Hip Hop generell fand ich über das
Basketball spielen. Das gab mir was. DJ Vinylman war da auch in meinem Umfeld
und dann haben wir uns zusammengetan und uns gegenseitig inspiriert.
Weibello: Bei mir gab
es verschiedene Sachen. Wir hatten in der Schule ein Konzert veranstaltet wo
wir Weihnachtslieder singen sollten. Das fand ich ziemlich scheisse. Dann kam
der Lehrer und sagte dass wir da vielleicht einen coolen Rap einbauen können.
Das war dann der Deal: Ich rappte und musste dann dafür bei den Liedern nicht
mitsingen. Anfänglich realisierte ich gar nicht, dass dieses Rap-Ding
eigentlich noch was für mich sein könnte. Bei meinem Bruder lief dann aber
immer Hip Hop, viel Schweizer Rap auch. Da war auch gerade mit Sektion und
Breitbild ein Hype am laufen. Brandhärd war dann aber für mich der effektive
Auslöser, welche ich auch erstamals am TV verfolgen konnte. Doch erst nach
meinem ersten Freestyle-Battle, welches ich gewonnen habe, sah ich mich als
Teil von diesem ganzen Kuchen.
Chandro: Ich kann das
gar nicht mehr so genau definieren. In erster Linie war ich einfach Fan. Ich
hörte viele französische Sachen wie z.B. IAM oder auch Ami-Sachen und dann
auch deutsche und Schweizer Künstler. So rückblickend gesehen, gab es bei mir
jetzt nicht so diesen einen Moment. Bei mir gab es auch nicht so dieses „ich
will dazugehören“ Gefühl. Vielmehr feierte ich einfach den Sound. So die ersten
Gleis Zwei oder Bligg’n’Lexx – Sachen. Dann haben wir irgendwann angefangen und
waren natürlich grottenschlecht. Mit der Zeit wurden wir besser und
mittlerweile läuft das Ding.
Flap: War ähnlich
bei mir. Ich war halt der kleine Bruder und habe das alles mitbekommen. Für
mich sind das auch zwei paar Schuhe. Das Ganze hören und mit den Jungs
abhängen. Das war einfach Fun. Das zweite war dann eben selber aktiv werden.
Das war einiges später. Mit 12 oder 13 Jahren habe ich dann meinen ersten Text
geschrieben. Das machte riesig Spass und gab mir, auch weil ich noch so jung
war, Zutritt zu den älteren Jungs. Das war halt einfach cool.
Tom:
Welche Aspekte sind euch generell wichtig wenn ihr Texte schreibt?
Weibello:
Ich bin mega ehrlich. Wenn ich mit Leuten spreche
habe ich auch diese Umgangssprache und fluche vielleicht auch mal. Ich habe
auch meinen Slang, aber den schreibe ich eigentlich nicht. Ich hätte vermutlich
ein schlechtes Gewissen wenn ich gewisse Kraftausdrücke einsetzen würde. Andere
beherrschen das besser. Ich wage auch nicht ganz soviel. Für mich das
wichtigste ist die Aussage und zwar richtig rübergebracht. Beim Schreiben ist
mir die Zeit und die Motivation wichtig, ich schreibe nicht weil ich muss, ich
schreibe nur weil ich will.
Flap: Für mich ist
das A und O die Emotion. Ich weiss was ich fühle und in diesem Moment
rüberbringen möchte. Mein Bruder zog da mal einen Vergleich zum Sport: Wenn ein
Hockey-Spieler zum Check ansetzt zieht er ihn auch durch. Nichts halbbatziges.
Wenn ich halt in diesem Moment ficken oder scheisse denke, dann bringe ich das
so auf das Blatt. Das ist mir mega wichtig! Sonst kann ich die Emotionen nicht
so rüberbringen wie ich das möchte. Vielleicht merkst du dann mal, dass es zu
hart ist und dann veröffentlichst du es halt nicht. Deshalb muss ich Weibello
widersprechen, betreffend „Ich fluche nicht, aber bin mega ehrlich“, das ist
nämlich nicht ehrlich, wenn du absichtlich nicht fluchst, aber eigentlich
fluchen möchtest.
Tom:
Bei euch finde ich bemerkenswert, wie ihr es auf
gewisse Art und Weise real haltet. Tracks wie zum Beispiel „Fühle nüt“ hätte
man locker, mit anderen Stilmitteln, voll auf die Charts trimmen können. Ihr
habt es aber bewusst nicht gemacht.
Flap:
Genau deswegen mache ich Rap. Sonst hätte ich schon
lange aufgehört. Wenn ich nichts mehr fühlen würde, was ich rappe, dann würde
ich aufhören. That’s it.
Chandro:
Tom, da gebe ich dir voll recht. „Fühle nüt“ haben
wir zum Beispiel Diggy gezeigt und er so „hey Jungs, die Strophen alles tiptop,
das könnte voll ziehen im Radio, aber dann kommt ihr im Refrain mit ficken,
kotzen und all diesen wüsten Ausdrücken. Aendert das, dann habt ihr den Hit“.
Aber genau das macht den Song aus. Wir benützen diese Ausdrücke nicht weil wir
primitiv sein wollen. Wenn wir das aber lieb und superkorrekt versuchen zu
umschreiben nehmen wir dem Song die ganze Energie. Der Song hat so die
Ehrlichkeit und braucht diese. Wir versuchen konsequent zu sein in dem was wir
machen. Wenn es dann trotzdem mal am Radio läuft ist es natürlich cool, wenn
nicht kein Problem. Aber das haben wir nie im Hinterkopf sonst wird unsere
Musik nie so entstehen wie sie das eben tut. Das ist entscheidend.
Flap: Die Wahrheit
ist oft brutal und nicht schön oder massenkonform. Wie in einer Beziehung, da
gibt es Sachen die wehtun. Und darum finde ich Wahrheit, gerade in der Musik,
sehr wichtig.
Tomahawk:
Wenn man meine Musik hört, hört man immer auch so
ein bisschen die Phase raus, in der ich steckte. Ich lasse mein ganzes Wissen,
meine ganze Persönlichkeit einfliessen. Ich möchte was rüberbringen das Halt
bietet. Aussagen und Aspekte im Leben die für mich wichtig sind. Dinge die mir
das Leben erleichtern. Ich packe mittlerweile auch viele spirituelle Dinge
rein. Leute erzählen mir, dass ihnen meine Tracks über eine gewisse Phase
geholfen haben. Das freut mich sehr, weil ich mir eben Mühe gebe etwas
auszusagen und vielleicht so eine Hilfestellung geben kann. Ich sehe es so ein
bisschen wie Weibello. Beim Freestylen geht es bei mir oft auch mal unter die
Gürtellinie, aber immer auf eine mehr oder weniger amüsante Art. Wenn ich Texte
schreibe, ist es für mich meistens gar kein Thema über diese Dinge zu rappen. Manchmal
kommt es auch auf den Beat an. Wenn du so ein Battle-Rap Beat hast, dann kannst
du auch mal ein „ficken“ raushauen. Dann passt es mit der Emotion. Für mich als
Grundtonus ist es wichtig etwas auszusagen, weiterzugeben und positiv zu
verändern. Als solch eine Art von MC möchte ich von den Leuten gesehen werden.
Flap: Es gibt halt
fluchen und fronten und fluchen und fronten. Viele Leute die sich nicht so mit
Rap beschäftigen verstehen dies nicht. Wenn ich in die Runde schaue, nehme ich
niemanden als provokativ, beleidigend oder kackeerzählend wahr. Trotzdem
fluchen alle von uns ab und zu auf Tracks.
Weibello:
Wenn du ein Text schreibst, dann tue dies
überzeugend. Nur weil dir jemand sagt du sollst einen glücklichen Song
schreiben, du dich aber nicht in einem glücklichen Zustand befindest, dann
schreibst du in dieser Situation vermutlich auch keinen glücklichen und
überzeugenden Song. Schlussendlich wiederspiegelt das geschriebene deine
momentane Stimmung.
Tom:
In Zug gibt es seit vielen Jahren, im Vergleich zur Grösse und zu den
Gegebenheiten, doch eine lebhafte und aktive Hip Hop – Szene. Wie sieht und
wertet die Situation aktuell?
Chandro:
Ich finde eher, dass hier die Szene nicht so lebhaft
ist. Es gibt gewisse Konstanten, zum Beispiel im Rap die Zuger Shuger – Jungs
und Hawk und dann gibt es noch uns und vielleicht noch ein paar andere die mal
wieder etwas machen oder auch nicht. Wenn ich das mit anderen Regionen
vergleiche läuft hier relativ wenig.
Flap: Im Breakdance
hast du noch die Dirty Hands, aber vielmehr ist dann da auch nicht mehr.
Tomahawk:
Einige von uns kommen halt auch aus der älteren
Generation. Ich weiss nicht wieviel wir noch mitkriegen was bei den Jungen so
geht. Ob wir noch mitkriegen, dass sich jetzt 10 Sprayer diese und diese Wall
dort vornehmen. Oder ob sie Breakdance-Sessions machen. In Zug ist immer wieder
was gegangen. Leute kamen, Leute gingen. Auch solche die nicht über die
Kantonsgrenzen gekommen sind. Die Konstanten sind Fratelli und Zuger Shuger.
Flap: Hawk hat voll
recht. Wenn einer sprayen geht, kriege ist das nicht mit. Objektiv gesehen,
wenn jemand rappt oder Beats macht, registriere ich dies aber schon. Im
Vergleich zu vor 10 oder 15 Jahren ist es heute ultraeinfach. Jeder hat ein
MacBook rumliegen, du benötigst heute quasi nichts mehr dazu. Ich weiss noch
was wir für einen Struggle gehabt haben um unsere ersten Aufnahmen zu recorden.
Wir haben uns zwei Jahre lang den Arsch dafür aufgerissen, dass wir den Cash
dazu hatten. Zum Geräte zu bekommen mit denen man wenigstens einigermassen
anständig aufnehmen konnten. Das ist kein Thema mehr heute, du brauchst 300 –
400 Franken und los gehts. Es geht schon eher wenig hier. Dann macht einer
wieder mal was 2 oder 3 Jahre aber dann hörst du nichts mehr. Finde ich schade.
Ist ja nicht nur bei den Rappern so. Ich merke es auch an unseren Konzerten in
der ganzen Schweiz. Wenn wir in Chur spielen hat es 50 Leute die jedesmal dort
sind. Wenn wir in St. Gallen oder Glarus sind, ich kenne alle diese Leute. Die
machen keine Musik, die kommen einfach an unsere Konzerte. Die sind für mich
auch ein wichtiger Bestandteil der Szene. Gerade solche Leute gibt es hier zum
Beispiel viel zu wenige. Gibt es auch aber es dann halt nur 10.
Tomahawk: Bezüglich Szene...es gibt
schon Junge und Jugendliche, die Gas geben und dies feiern. Die Dirty Hands
haben ja auch ihre Schule. Oder die Mavement Dance School, die auch immer
wieder Legenden aus der Tanzszene bei sich haben wie zum Beispiel Mr. Wiggles aus
der Rocksteady Crew aus New York. Gemeinsam mit der Tanzschule habe ich auch
schon mehrere Jams organisiert. Für Junge, für Kinder wo wir die vier
Grundelemente des Hip Hops in Workshops angeboten haben. Das volle Programm.
Die Kids haben viel Freude daran. So geben wir diesen Kids einen Zugang zur Hip
Hop Kultur und können sie fördern. Es kann wieder etwas wachsen und entstehen.
Weibello:
Wir hatten eine Zeit lang diese altbekannten Jams in
der Galvanik. Die ganze Szene und alle Elemente kamen zusammen. Teilweise kamen
auch Leute aus Zürich oder Basel. Die Leute die dort waren, die waren aktiv und
haben etwas gemacht. Die 50 Leute, die Flap erwähnt hat, die sind jedoch nicht
dort. In Zug kannst du keinen Hip Hop – Event machen und sagen, ja diese 50 Leute
kommen ja eh. Das haben wir nicht. Ich glaube es gibt viele die etwas machen,
aber es gibt wenige die dies konsumieren.
Chandro:
Wir dürfen uns nichts vormachen. Das mit den
Elementen zum Beispiel. Ich habe dies auch noch miterlebt, aber heute gibt es
so viele Jugendliche, ich würde mal sagen 90 Prozent, welche wenn sie in’s
Breakdancen gehen, dann machen Sie einfach Breakdance. Das heisst aber noch
lange nicht das sie auch Schweizer Rap hören. Umgekehrt auch. Auch bei den
Sprayern...viele hören dort gar kein Rap. Das war früher, dieser Jam-Gedanke.
Da müssen wir uns davon verabschieden. Ich muss auch zugeben, ich habe von
Graffiti und Breakdance viel zu wenig Ahnung und bin in keiner dieser Szenen
ein Kenner. Jeder sucht sich so das raus, was er möchte. Die Schweizer Rap –
Szene selber ist schon so klein. Jeder von uns arbeitet dafür, das in Zug was
los ist, aber man muss jetzt nicht eine spezielle Zuger Szene fördern.
Natürlich bin ich froh, wenn es solche Anlässe gibt, versteht mich nicht
falsch. Aber wir sollten den Fokus jetzt nicht nur auf Zug setzen. Mache
einfach deinen Sound oder deine Disziplin, wo du gut bist, so gut wie möglich.
Nachahmer oder Leute die daraus etwas nehmen gibt es sicher. Aber wir haben zum
Beispiel in Chur oder sonst wo in der Schweiz genau soviele Leute beeinflusst
wie hier.
Flap:
Die Frage ist auch, ob das Angebot bezüglich
Workshops und so weiter zu klein ist.Ich habe das Gefühl mir hat früher niemand
etwas gezeigt. Ich habe alles alleine gemacht. Ich musste mein erstes Mikrofon klauen. Das hat mich auch stark
geprägt und an dieses Ding gebunden. Heute ist das alles easy. Jeder
Zehnjährige kann sich zuhause via Youtube irgendwelche Tutorials reinziehen.
Wie baue ich einen Beat? Wo lade ich dies und dies. Schon vom ersten Tag an,
ist er zehnmal weiter als wir dies waren. Da bin ich ein bisschen skeptisch.
Zug als Ort ist schon sehr speziell. Was gar nicht mit Rap zutun hat. Tiefe
Steuern und mit den ganzen internationlen Spektrum hier. Generell habe ich den
Eindruck dass hier nicht unbedingt der ideale Ort für Kunst und somit auch für
Rap ist. Wenn dann eher für teurere Kunst oder Bilder oder was auch immer. Für
Rap sicher nicht ein idealer Nährboden.
Tom:
Das möchte ich gerne vertiefen. Der Kanton Zug hebt sich politisch in einigen
Dingen wie zum Beispiel Wirtschafts – oder Finanzpolitik von anderen Kantonen
ab. Das hat auch Einfluss auf das kulturelle Geschehen. Wie stark ist Hip Hop effektiv
davon betroffen?
Flap:
Alle diese politischen Geschichten die gehen ja
nicht um Rap. Aber es hat Einfluss darauf, welche Leute hier leben. Schau dir
mal generell die Ausgangslokale hier an. Zug ist tot. Es kommt mir krasser vor
denn je. Am Samstag-Abend kannst du durch die Stadt laufen und Leute hat es
vielleicht im Mantra und im Chicago. Das war’s. Das Piwi muss ja glaub auch
früh schliessen. Da muss man sich fragen, von wo das kommt.
Chandro:
Diese Frage haben wir uns oft gestellt. Wenn du
Musik machst, vermutlich auch in anderen Kunst-Bereichen, bin ich überzeugt,
dass Zug einer der schwierigsten Standorte überhaupt ist. Wenn wir Berner
wären, hätten wir sich schon auf dem Gurten gespielt. Du würdest jeden Sommer ein
paar grössere Open Air’s spielen. Ja, es wäre soweit. Du hättest auch einen
anderen Support. In Bern eine Plattentaufe zu machen und das Bierhübeli zu
füllen, ja klar, das ist krass, aber das würdest du schaffen. Das ist jetzt
kein Front an Berner Acts, die das gemacht haben, das soll erst mal einer
nachmachen. Allerdings sind die Voraussetzungen dort halt wirklich besser. Was
haben wir bei uns? Ja, da sind sechs oder sieben kleine bis sehr kleine Open
Air’s, das sind andere Dimensionen. Und Für jeden von uns hier ist das ein sehr
grosser Struggle da überhaupt mal reinzukommen. Das ist dann nicht so einfach
wie es vielleicht den Anschein macht.
Flap:
Da will ich auch noch einen reinwerfen. Das ist ein
guter Punkt, den du ansprichst. Wenn du in Bern an eine Plattentaufe gehst von
Rap-Künstler, die nicht so bekannt sind, völlig egal ob die gut oder schlecht
sind, schaffen die es, teilweise, denn Dachstock auszuverkaufen oder zumindest
eine ordentliche Crowd zu haben. Dann sind da 500 - 700 Leute. Wenn du einen
neuen, unbekannteren oder vielleicht sogar etablierteren Zuger Act nimmst, der
eine Taufe macht, musst du froh sein, wenn du 50 Leute hast. Ich glaube an
diesen Punkten lassen sich eine Szene messen. Das ist schon heftig. Deshalb
sind wir auch enorm stolz darauf, dass wir an der letzten Plattentaufe die
Chollerhalle gefüllt haben mit beinahe 1000 Zuschauern.
Weibello:
Die Frage bleibt trotzdem: Liegt es am Hip Hop oder
an der allgemeinen Kultur hier. Das ist schon das was du gesagt hast. Wenn du
deine Taufe hier machst, kannst du auf die Grösse bezogen, zufrieden sein und
sagen „es ist halt nicht grösser“. Bern ist ja auch grösser. Da wäre es komisch
wenn nur 50 Leute kommen würden. Letzte Woche habe ich im Stadtmagazin
folgendes gelesen: Für die Weihnachtsbeleuchtung wird fast doppelt soviel
Steuergeld eingesetzt als für den Kultur-Ort Galvanik. Das bringt es voll auf
den Punkt. Würde mehr Geld für die Kultur eingesetzt, würde vermutlich hier
auch mehr los sein. Ich glaube aber nicht, das es hauptsächlich am Geld oder an
unserer Musik liegt, dass nur begrenzt was los ist. Viele Leute hier haben auch
andere Ziele. Viele sind gar nicht kultur-begeistert.
Chandro:
Wenn ich Musik mache, bin ich motiviert und weil ich
das will. Dabei ist mir egal ob ich auf dem Matterhorn lebe oder wo auch immer.
Spielt gar keine Rolle. Die Kunst entsteht sowieso. Kohle brauche isch schon
gar nicht. Ich habe eh immer alles selber finanziert. Das Produkt das
schlussendlich entsteht wäre so oder so gleich geblieben. Klar, wenn ich jetzt
seit 5 Jahren in Glarus leben würde und von anderen Leuten umgeben wäre, würde
ich mal einen anderen Text schreiben. Aber ich als Mensch bin derselbe. Wenn
die Kunst dann fertig ist und veröffentlicht wird, dann merkt man wo man lebt.
Dann merkt man „Hey, wäre geil im Sommer noch ein paar Open Air’s zu haben oder
wär geil noch mehr Support zu haben“. Aber faktisch tönt mein Album genau
gleich.
Flap:
Es ist definitv so, dass Kunst in Zug nicht speziell
gefördert wird. Aber wir Rapper müssen uns da doch nicht beschweren. Wir haben
alle einen Job und rappen nebenbei. Rap ist die einfachste Sache auf Erden, was
das angeht. Schalt dein MacBook ein, Mic rein und los gehts. Das ist mir mega
wichtig, soll auf keinen Fall eine Ausrede sein. Wenn das Budget für Rap in Zug
verzwanzigfacht werden würde, würde das nichts ändern. Ich meine das nicht bös.
Dann wird vielleicht dein und unser Album etwas geiler oder cooler gemischt. Am
Ende des Tages geht es darum dass Leute kreativ sein müssen. Ich erzähle immer
gerne wieder, wie wir mal ein Video gedreht haben. Mit dem Handy. Das war das
zweiterfolgreichste Video (Link Vorhang uf Youtube) von uns. Du brauchst eine
Idee im Rap und los gehts. Du musst nicht wie für andere Kunst im Vorfeld
Material bereitstellen oder kaufen.
Weibello:
Es geht ja nichts um’s Geld. Kunst machst du ja
sowieso wie du sie machst, wie Chandro erwähnt hat. Aber was machen die Leute
daraus. Das ist die Frage.
Flap: Das ist die
zweite Stufe. Die erste ist, wo geht das Kultur-Geld überhaupt hin.
Weibello:
Abgesehen vom Geld, wenn wir jetzt sagen Geld
brauchen wir nicht. Es braucht ja trotzdem Leute, die das in einer Art und
Weise publik machen. Ich habe oft das Gefühl dass wir diese nicht haben. Vielleicht hast du mehr von diesen in anderen Kantonen. An uns liegt es nicht.
Wir machen sowieso unser Ding.
Chandro: Ich mache das
daraus, was ich für mich am besten finde, so. Es könnte in Zug niemand mehr
rappen, ich würde es trotzdem machen. Ich mache das nicht von einem Umfeld
abhängig. Das fände ich grundsätzlich sehr schlecht. Trotzdem soll das nicht
heissen, dass man gewisse Punkte nicht kritisieren sollte. In „Mini Stadt“
haben wir Punke angesprochen die uns nicht passen. Ich haue nun aber nicht ab
hier. Wenn es jemand interessiert und es Geld abwirft ist es gut, weil es
wieder in eine neue Produktion gesteckt wird. Die Leute wissen das bei uns. Was
eingenommen wird, wird wieder in Musik investiert. Wieviel Geld jetzt da
kulturmässig in die Musik fliesst, ist mir egal. Ich profitiere eh nicht grossartig
davon. Trotzdem schätzen wir natürlich alle unsere Gönner enorm. Sie
ermöglichen es uns noch mehr Geld in die
Musik zu stecken.
Flap:
Man muss realistisch sein. Es würde gar nichts
bringen wenn jetzt da mega Kohle in die Zuger Rap – Szene fliessen würde. Im
Endeffekt bringt es viel mehr wenn man unterwegs ist, wenn man dranbleibt und
konstant gute Arbeit abliefert. Wenn wir vor einigen Leuten spielen, so glaube
ich schon, dass wieder mal ein Fünfzehnjähriger sagt „hey, das ist so geil“.
Vielleicht adaptiert er es dies und rappt dann 15 Jahre lang. Dort sollte man
ansetzen.
Tomahawk: Ich sehe das auch so wie ihr. Du machst es, weil du es einfach
machen willst. Weil du es geil findest. Scheissegal, wieviele Leute sich dies
anhören oder nicht. Grundsätzlich muss ich aber
trotzdem sagen, dass es cooler wäre, wenn auf unsern Konzerten nicht immer die gleichen Nasen
auftauchen würden. So „ah, jetzt hat es ein
paar neue Leute gegeben, die sich mit unserem Sound beschäftigen“. Obwohl ich es natürlich auch
schätze, wenn ich Leute habe die immer wieder kommen. Manchmal
frage mich auch, wo geht unser Sound überall durch. Wer hört sich das an? Wird
das von den Leuten in Zug überhaupt
geschätzt? Wird es vielleicht gar belächelt, weil „es sind ja nur Zuger“? Ich
werde oft auch von Leuten angesprochen was bei mir Soundmässig so geht.
Darunter hat es jedoch auch viele, die sich wohl noch nie ein Tomahawk Album
gegeben haben, manche meinen auch immer noch
ich sei ein Dj, haha.
Weibello:
Die Kids haben hier teilweise auch ein völlig anderes
Leben. Ich habe das Gefühl viele können sich mit diesem „urbanen“ Gedanken gar
nicht identifizieren. Wir rappen nicht über Money und Bitches. Würden wir das
tun könnten sie sich wohl mehr damit identifizieren.
Flap: Wenn es so
wäre, wieso kommt dann aus dem Gymi nicht so ein Fünfzehnjähriger der über
Prada und Gucci rappt? Der müsste dann ja voll den Nerv der Zeit treffen in
Zug. Aber ehrlich, ich weiss nicht ob der die Leute damit catchen würde.
Weibello:
Ich weiss es nicht. Ich bin auch mal im Kanton
Schwyz in die Schule gegangen. Da waren alle voll ländlich unterwegs. Hier
merkst du dann schon dass viele die Nase etwas weiter oben haben. Man sieht an
den Kleidern dass sie aus gutem Hause kommen. Die Girls wollen nicht mit dir
reden, sagen so „Ja, weisst du, ich habe einen Freund“. Viele Menschen hier
sind schwierig. Ich will ja nicht den Kantönli-Geist heraufbeschwören, aber an
anderen Orten sind die Leute einfach anders.
Chandro:
Aber das stimmt doch so nicht. Ich finde das voll
nicht. Ich kenne gute Frauen und aber auch arrogante Frauen von überall. Ich
kenne vorallem überall Frauen (lacht).
Flap:
Das ist die Bottom Line (lacht).
Chandro:
So wie du in den Wald rufst, kommt es zurück. Ich
mache die Musik die ich cool finde. Das Publikum kannst du dir ein Stück weit
aussuchen. Ich hoffe das coole Leute meine Musik hören. Ich kann es aber nicht zu
100 Prozent selber bestimmen. Es gibt Leute die sind voll Fan von uns und
posten jedes Video dreimal. Aber dann lese ich auch gewisse Posts von denselben
Leuten die politisch unkorrekte Sachen zum Beispiel betreffend der
Flüchtlingswelle posten. Ja, gut. Dann überlege ich mir ob ich was damit zu tun
haben könnte? Dann aber merkst du dass du gar nichts damit zu tun hast. Du
kannst es dir nicht auswählen. Trotzdem: Mach dein Ding und es wird Hörerschaft
finden. Es geht nur um das. Wo sich diese befindet, ob in Zug oder anderswo,
ist egal. Musst gar nicht so viel überlegen. Einfach machen.
Flap: Der
Grund-Vibe hier ist etwas anders. Das ist zurückzuführen auf Dinge wie wer
zieht hierher oder für was für Leute Zug attraktiv ist. Sicher wohnen hier
andere Menschen als anderswo. Aber das ist halt so. Ich bin da voll bei meinem
Bruder. Wenn du gutes Zeug machst, gute Emotionen beschreibst, es ehrlich
rüberbringst dann glaube ich kannst du auch einen Basler catchen.
Teil 2 droppt am Sonntag 3. Januar 2016.