Dienstag, 31. Mai 2016

„Auf diesen Golden Age Sachen habe ich mit Rappen begonnen und, wenn man so will, das Rappen gelernt.“



Der Luzerner Rapper hält seinen Output hoch und droppt kurz vor Sommeranfang eine EP. Daneben lebt er das gute Leben und hat im Moment seinen Lebensmittelpunkt in’s sonnige Los Angeles verlegt. Dort sowie auch in New York hat er zusammen mit DJ Sweap „90er wie Game Boy“ aufgenommen. Flows und Produktionen wie zu den guten alten Biggie-Zeiten. Zeit für ein Gespräch. 


Tom: Im letzten November hast du „Flow so 90ies“ veröffentlicht. Nun legst du erneut in 90er-Äesthetik nach. Ist da eine Trilogie oder ähnliches geplant?

Emm:
Eigentlich ist „90er wie Game Boy“, wenn überhaupt, der dritte Teil dieser Trilogie – es gab Flow So 90ies und dann Flow So 90ies II. Das ist jetzt halt der erste Release über eigene Beats in diesem Stil, darum gibt’s das auch nicht gratis wie die Vorgänger. Man muss aber sagen, dass „90er wie Game Boy“ jetzt nicht als dritter Teil dieser Trilogie angedacht war, sondern einfach ein Release im Stile der 90er mit eigenen Beats ist. Ich arbeite da nicht unbedingt so nach Schema. Es hätte jetzt auch aus meiner Sicht keinen Sinn gemacht, einen dritten Teil von Flow So 90ies zu releasen. Entweder macht man es halt richtig oder nicht. Zwei EPs mit ein bisschen Spassrap auf geklauten Beats sind genug. Da holte ich mir lieber originale Produktionen, um was „richtiges“ zu machen.

Tom: Auf deinen beiden letzten Alben rappst du, sicher auch aufgrund des Sound-Teppichs, eher futuristisch. Passt dein Flow überhaupt zu dieser ganzen Oldschool-Thematik?

Emm:
Persönlich habe ich das Gefühl, er passt sogar besser. Ich bin zwar der erste, der Future und Drake feiert, und ich bin froh darum, dass ich im Gegensatz zu vielen meiner Alterskollegen diese modernen Sachen aufrichtig abfeiern kann. Aber auf diesen Golden Age Sachen habe ich mit Rappen begonnen und, wenn man so will, das Rappen gelernt. Ich persönlich empfinde meinen Flow als entspannter auf diesen Produktionen. Ich merke beim Schreiben, dass ich erheblich weniger überlege, sondern viel mehr einfach mache. 90er Beats führen bei mir zu „aus dem Bauch“-Texten. Das ist für mein Künstlerdasein durchaus gut und erholsam, und irgendwie finde ich das auch in der Wirkung und im Ergebnis cooler, weil
es so schön un-konstruiert daherkommt. Aber das ist eine Aussage im Jetzt: in zwei Monaten kann das auch wieder anders sein. Vielleicht mache ich als nächstes mal wieder New Disco, wie ich das schon zu Wall Street Zeiten gemacht habe. Ich lasse mich da nicht mehr so fixieren. Am Ende des Tages mache ich einfach, worauf ich Bock habe.


Tom: Du hast nun in gut einem Jahr 2 reguläre Alben, 2 Mixtapes und eine EP veröffentlicht. Manch anderer Rapper wäre froh, wenn er in dieser Zeit soviel Output generieren könnte. Ich möchte aber andersrum fragen: Wäre weniger nicht mehr?

Emm:
Gut möglich, dass ich den Bogen überspanne. Aber auch hier: es ist mir völlig egal. In der Schweiz ist es relativ einfach: entweder bist Du Teil des Films oder Du bist es nicht. Es geht oftmals gar nicht sosehr um Talent, sondern um Seilschaften, um gegenseitige Unterstützung, um Hypes. Das ist alles cool für mich, und ich muss da auch nicht unbedingt dazu gehören. Aber wenn ich nicht Teil dieses Films bin, dann release ich halt auch frei von der Leber weg. Um meinen Output an irgendein Schema anzupassen, müsste ich ja irgendein Ziel verfolgen, damit ich einen gewissen Sinn darin sähe, irgendeine solchen Plan aufzustellen und den dann umzusetzen. In meiner Situation sehe ich aber einfach keinen Sinn darin, mich nach einem von aussen an mich herangetragenen Setup zu richten. Ich bin ü30 und habe sonst genug in meinem Leben. Ich mache Mucke aus Spass, und ich mache sie wann ich will und wie ich will. Vielleicht dauert’s drei Jahre bis zum nächsten Release. Vielleicht höre ich auch einfach auf. Vielleicht mache ich Gabber Techno mit Kackmusikk. Vielleicht schreibe ich mal wieder einen Blog und nenne paar Dinge beim Namen. Who knows.

Tom: Ein Thema auf dem Mixtape ist Realness. Wieviel Realness will oder braucht der Rapper Emm?

Emm:

Ist Realness ein Thema? Ich weiss gar nicht. Realness ist mir persönlich nur bedingt wichtig.
CH-Rap ist per definitionem höchst unreal und weit entfernt vom Struggle, den Big Daddy Kane oder wer auch immer erlebt hat. Wir sind alle unreal as hell. Aber: Ich habe keinen Bock und keine Zeit mehr für Menschen, die einfach irgendwas rumlabern, ohne dass es mich in den Bann zieht. Solcher Dreck ist mein Ohr nicht wert und schadet dem Gesamtimage von Rap. Ich habe nichts gegen unwahre Geschichten, aber dann müssen sie dope erzählt sein. Es sind dann Krimis, Sci-Fi-Filme, was auch immer, aber es muss verdammt nochmal gut sein. Selbstauferlegte Tickermucke von 20-jährigen Schweizer Kids, das interessiert mich einfach null, ausser die Erzählskills von dem Typen sind auf dem Level von Pusha T, und das habe ich in der Schweiz dann doch ziemlich selten erlebt. Eigentlich nie, haha.


Es geht nicht darum, ob alles, was ein Künstler sagt, tatsächlich wahr ist. Aber es geht darum, ob jemand, der mir was erzählt, mir damit was gibt oder nicht. Wenn jemand mich nicht entertained, sei es seriös oder auch ironisch, dann bin ich weg. Realness muss jeder für sich selber finden, und eben: Schweizer Rap ist per definitionem das unrealste, was es gibt. Aber wenn Du in Deiner Musik Müll laberst und Deine Tagträume erzählst, dann bist Du besser ein verdammt guter MC. Ansonsten bist Du nicht nur ein schlechter Rapper, sondern ein schlechter Rapper und fake. Das ist die Höchststrafe.

Tom: Du bist ein ü30-Rapper der viel veröffentlicht und einiges erreicht hat. Du hast einen guten Job. Was treibt dich immer wieder von Neuem an Musik zu machen?
 

Emm:
Ich glaube, das ist so ein Hirnhälften-Ding. Es ist Ausgleich. Vielleich auch Ausbruch. Wenn du tagsüber den Bürofilm fährst, dann tut Rap als Abwechslung ganz gut. Aber vor allem bin ich immer noch ein grosser Fan von Rapmusik, und ich glaube, das ist das entscheidende. Ich stecke da seit einer Ewigkeit in irgendeiner Form drin. Ich kenne die ganzen älteren Figuren, gerade auch in der CH-Szene, alle noch von way back, bevor sie Frau und Kinder hatten. Ich war und bin halt immer Fan, lese immer noch XXL, checke immer noch die Blogs. Und wenn eine Passion für eine Sache die Pubertät überlebt, dann ist es wie Fussball im Veteranenteam – man ist zwar älter, aber man spielt einfach immer noch. Falls ich mal keine Musik mehr mache, heisst das nicht, dass sie mich nicht mehr interessiert. 


Und zum Schluss noch ein bisschen „90er entweder/oder“...


Tetris oder Super Mario? Das ist ja wohl klar, oder? Nur Prinzessinnen sind für Bosse.


Helly Hansen oder Lederjacke?
Lederjacke all day. Der ganze Hip Hop Kleider Shit war nie so meins, ganz ehrlich. Ich hatte nie Helly Hansen. Ich hatte nie Maurice Malone. Ich hatte nie Pelle Pelle. Nie Uzzy. Fuck, ich hatte nicht mal Karl Kani. Ich glaube, ich hab auch nie ein oversize white tee getragen. Gruss an CBN, hahahaha!


The Chronic oder Illmatic?
Ganz hart. Illmatic. Einfach weil eine vermittelnde Antwort langweilig ist. Ich hab grundsätzlich früher viel mehr West Coast Sachen gehört. Aber Illmatic ist Illmatic. War – ohne Witz jetzt – 2014, beim 20-Jahre-Jubiläum, eines der 3 meistgehörten Alben auf meinem iPhone.

 

Boyz N The Hood oder Menace II Society? Friday.


Michael Jordan oder Shaquille O’Neal?
Lewandowski und Ibrahimovic.

Freitag, 27. Mai 2016

Rapping deconstructed: Die technisch besten Rapper



Was heisst es technisch besser rappen zu können als andere? Warum verstehen Künstler wie Biggie, Rakim, MF Doom oder K-Dot ihr Handwerk besser als andere MC's? Diese spannende Doku analysiert die Rhymes und Schemen dieser Künstler. Sehr, sehr sehenswert.


by: VOX

Mittwoch, 25. Mai 2016

TURN UP 17 Suff Daddy - Macrowave


Beatmaker-Mucke ist generell per se schon einfach mal nice. Weil entspannend, entschleunigend und kopfnickend zugleich. Wenn dann noch ausgewiesene Fachpersonen wie Suff Daddy am Werk sind erst recht. Und dieses Jakarta-Label bringt ja sowieso nur echt hochwertige Sounds raus. Dieses Video kommt auch noch mit übercooler Ästhetik. Voll schön, imfall. Vögel, diese.


Sonntag, 22. Mai 2016

„Am Ende geht es mir ausschliesslich um Ästhetik. Ich lege sehr viel Wert auf Klang und Bildhaftigkeit und versuche, auch wenn ich immer wieder an meinem Dilettantismus scheitere, eine eigene Sprache zu entwickeln“


Sinan Stäheli alias CBN, Mitglied von Eldorado FM, releast aktuell sein zweites Solo-Album "Tourist". Zeit für ein Gespräch.

Tom: Der Album-Titel zieht sich mit verschiedenen Facetten wie ein roter Faden durch das Album. Wie und warum bist du beim Thema „Tourist“ gelandet?
CBN: Zum einen sind die ersten Skizzen des Albums an den unterschiedlichsten Orten Europas entstanden. Wir (Georg Gadient und ich) waren viel unterwegs und haben unter anderem in Frankreich und in England Musik gemacht. Dieser Geist zieht sich durch das ganze Album. Ich habe damals viel fotografiert und die Mehrheit der Bilder im Artwork stammt aus dieser Zeit. Zum anderen überkommt mich mindestens 8 Mal pro Tag das Gefühl eine Insel zu sein. Das bezieht sich sowohl auf HipHop in der Schweiz als auch auf unzählige Alltagssituationen. Diese Mischung aus beissender Fremdscham und dem Bedürfnis schnellst möglich über alle Berge zu sein, ist mir über die Jahre ein treuer Begleiter geworden. Es steckt ein gewisse Fluchtneurose in diesem Album, aber selbstverständlich fand ich wie schon bei „Papillon“ auch einfach das Wort „Tourist“ schön.
Tom: Welche Aspekte sind dir generell wichtig wenn du Texte schreibst?
CBN: Am Ende geht es mir ausschliesslich um Ästhetik. Ich lege sehr viel Wert auf Klang und Bildhaftigkeit und versuche, auch wenn ich immer wieder an meinem Dilettantismus scheitere, eine eigene Sprache zu entwickeln. Ich glaube meine Texte lassen viel Raum für Interpretation und der Hörer wird bewusst im Regen stehen gelassen. Aber um das geht es mir am Ende auch. Ich verachte jegliche schlecht formulierten Versuche Gesellschaftskritik auf plumpe Art zu transportieren. Diese Phrasendrescherei, die in der hiesigen Mundartszene vorherrscht, empfinde ich als grauenhaft. Das zentrale bei Rap ist doch der Spass am Umgang mit der Sprache. Da steht kein akademischer Anspruch dahinter, so meine ich das nicht. Aber Style zu haben, erachte ich als dezidiert erstrebenswert.
Tom: Wenn ich die Featurings durchgehe fällt mir auf, dass der Sänger Levin gleich auf 4 Tracks vertreten ist. Zudem hat er auch den grössten Teil des Albums produziert. Er ist noch nicht allzu bekannt, ist aber ein sehr versierter Musiker. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?
CBN: Levin hat für's Eldorado-Album „Luke mir si di Vater“ zwei Songs produziert. Auf diesem Weg kam der Kontakt zustande. Ich halte ihn für eines der grössten Talente in der Schweizer Musikszene zurzeit und seine Produktionen sprechen eine ganz eigene Sprache. Ich habe ihn ihm endlich jemanden gefunden, der mich musikalisch perfekt ergänzt. Zudem hat er mich während des Albumprozesses stark gefordert, was der Sache äusserst dienlich war. Mittlerweile sind wir auch freundschaftlich sehr verbunden.
Tom: Mit Eldorado FM habt ihr vor einem Jahr unfassbar viel verkauft. Aktuell hält sich Manillio hart in den Charts. Wie wichtig ist für dich das Thema Charts?
CBN: Selbstverständlich freut es einen, wenn man auf grosse Resonanz stösst. Zu sagen, es wäre nicht toll viel zu verkaufen, wäre ja lächerlich. Allerdings bedeutet mir eine Chartplatzierung persönlich nicht sehr viel. Man muss auch realistisch sein. Ich konnte zwar mit Eldorado FM sehr grosse Erfolge feiern, aber als Solo-Artist war ich doch längere Zeit von der Bildfläche verschwunden. Meine Musik ist ein ganz klares Nischenprodukt und dementsprechend sind auch meine Ambitionen bezüglich Charts nicht gross. Ich bin aber ziemlich glücklich über den Umstand, dass das Album bei Künstlerkollegen sehr gut ankommt. 
Tom: Wenn ich dich als Rapper analysiere stelle ich fest, dass du nicht dem typischen Klischee entsprichst. Auch optisch. Ich finde das spannend und du kokettierst auch damit. Zum Beispiel wenn du sagst „Chleider wie en englische Grossgrund-Bsitzer“ oder „King vo de Chelsea-Boots“. Wie kam es zu dieser Positionierung?
CBN: (lacht). Ach, es bleibt mir ja gar nichts anderes übrig als damit zu kokettieren. Vor sechs oder sieben Jahren war ich halt der erste der sich so anzog, das kann man sich heute schon fast nicht mehr vorstellen. Klar biete ich so eine gewisse Angriffsfläche, dem bin ich mir bewusst. Aber für mich ist das „sich selber feiern“ einer der Hauptpfeiler von Rap. Ich packe diese Übertreibungen deshalb auch so gerne in meine Texte und polarisiere dadurch. Wem dabei ein gewisses Augenzwinkern nicht auffällt, ist meiner Meinung nach ein ziemlicher Dummkopf.
Tom: Bei deinem Album höre ich auch verschiedene Einflüsse. Was hörst du privat für Musik?
CBN: Ich höre sehr viel unterschiedliche Musik. Klar, ich höre sehr viel Rap, ich bin aber auch ein grosser Fan von elektronischer Musik. Zuhause läuft bei mir viel Jazz und im Auto viel klassische Musik. Trance und Heavy Metal gehen gar nicht, aber ansonsten bin ich sehr offen. Zurzeit höre ich das neue James Blake Album. Das ist schlicht genial.