Teil 2 der Diskussionsrunde mit Fratelli B, Tomahawk, Weibello und Tom Blattmann.
Tom:
Ein wichtiger Eckpfeiler für unsere Kultur als Location und Treffpunkt ist die
Galvanik. Gab das in irgendeiner Form einen Impact für eure eigene Karriere
oder eure künstlerische Tätigkeit? Wenn ja, inwiefern?
Tomahawk:
Das war ein wichtiger Punkt für mich. Erstmal weil
ich da mein erstes Konzert ever gesehen habe. Das war Anfang 1996 Das EFX. Das
hat mich mitgerissen. Auch die nachfolgenden Jahre kamen immer geile Acts. Du
hattest in deinem Kanton die geilsten Ami-Acts. Das war einfach megageil. Dann
beginnst du zu rappen und findest so „wow, ich muss auf eine Bühne“. Ich muss
das präsentieren. Dann war die Galvanik einfach die Location. I45 ist cool,
aber die Galvanik ist das Tüpfchen auf dem i. Das hast du es ein Stück weit
erreicht. Mittlerweile kann ich auf viele Konzerte in der Galvanik
zurückblicken. Ein tolles Konzerthaus mit idealer Grösse. Gutes Umfeld. Ich
weiss als die Galvanik 3 Jahre geschlossen war. Sie war ja abgebrannt. Während
dieser Zeit fanden wir so „ok, wo wollen wir jetzt eine Taufe machen?“. Das war
schwierig. Die Galvanik ist sehr wichtig für uns.
Flap: Für uns
natürlich auch. Das A und O. Wir haben alle Konzerte besucht früher. Das war
dann wirklich Kultur. Da müssen wir schon unterscheiden von dem was wir selber
als Künstler machen. Wir haben so viele Sachen dort gesehen. Man merkt immer
noch, dass ca. ein Jahr bevor die Galvanik abgebrannt ist, das Angebot langsam
reduziert worden ist. Es gab weniger coole Konzerte. Die Eröffnung-Party war
dann wieder cool. Dann aber kam ganz lang nichts mehr spannendes. So habe ich
das wahrgenommen. Ehrlich gesagt: Wenn man von einer Szene spricht, früher war
das in der Galvanik wirklich so. Die Szene hat sich dort getroffen. Alle Leute
waren dort, egal ob jetzt ein Reggae-DJ aufgelegt hat oder wasauchimmer. Es
hatte locker immer 150 Leute an einem Freitag-Abend. Das ist Kultur und auch
Szene. So kriegt man als Kultur-Haus auch die Möglichkeit das Ganze aktiv zu
fördern. Auch mal einem siebzehnjährigen Zuger zu sagen „hey, wir nehmen dich
in’s Vorprogramm, du spielst vor 400 Leuten“. Da beginnt Kultur-Förderung. Da
ist viel kaputt gegangen in den letzten Jahren. Ich möchte auch gar keine
Schuldzuweisungen machen. Ich glaube, wenn über alle Jahre hinweg cool Konzerte
gewesen wären, wäre auch die Szene hier wieder grösser. Da war jetzt ein Loch
von ca. 4 – 5 Jahren. Vorallem in unserem Musik-Bereich. Jetzt ist aber wieder
was in Bewegung. Es haben aktuell wieder ein paar Leute die Finger im Spiel bei
denen ich glaube dass es gut kommt. Ich bin überzeugt davon, dass wenn nun
wieder 2 Jahre gute Events stattfinden, die Leute wieder zahlreicher kommen.
Chandro: Das ist noch
gut zurückzuführen bezüglich Szene. Ich glaube früher hatten wir eine
Galvanik-Szene. Diese 150 Leute waren immer da. Ich bin gar nicht sicher, ob
das wirklich alles Rap-Leute waren. Da waren bestimmt auch Electro-Typen und
viele mehr darunter. Aber es hatte ein Stamm-Publikum. Das ist das Problem
heute. Ich war am Konzert von Redman da hatte es nur die älteren Leute und dann
war ich am Massiv und Eko Fresh. Dort waren dann nur die Jungen. Dieser
Mittel-Teil, von dort wo die Galvanik geschlossen war in diesen 3 Jahren, der
fehlt jetzt. Diese Leute haben die Kultur im Kanton nicht so kennengelernt wie
wir sie damals kennengelernt hatten. Die gehen vermutlich in’s Fabric jetzt und
sind so Disco-mässig unterwegs. Das muss jetzt wieder aufgebaut werden.
Weibello:
Meine beiden älteren Bruder waren jedes Wochenende
dort. Ich habe zu ihnen heraufgeschaut und war so „hey, Galvanik dort will ich
auch hin“. Mit dreizehn war ich dort zum ersten Mal. Am Chlyklass-Konzert. Es
war proppenvoll mit 700 oder 800 Leuten. Vielleicht gar nicht mal wegen dem Act
selber, sondern weil man eben immer jedes Wochenende dort war. Dann wurde ich
Sechzehn und hätte auch legal in die Galvanik gehen dürfen. Dann kam genau der
Break. Das war für meine Generation total verschissen. In diesem Alter konntest
du dann in Zug nirgendwo mehr hin. Industrie hat vielleicht mal was gemacht,
aber du bist nicht in die L&G oder in’s Chicago reingekommen. Dann hat
diese ganze Club-Szene begonnen. Luzern und Zürich sind ja sehr nahe. Viele
gingen dann dorthin. Bezüglich Sprungfeder...ich durfte dann an der Wiedereröffnungsfeier
spielen und das war für mich eine grosse Sache. Früher hatte ich als Konsument
die Galvanik sehr genossen und jetzt spielte ich dort oft selber. Mittlerweile
ist es immer noch cool dort zu spielen, aber es hat jetzt auch was von
Normalität. Es ist so die Heim-Disco geworden. Ich konnte mich präsentieren.
Ich muss auch Flap rechtgeben: Es hat megalange gedauert, aber ich glaube so
langsam kommt es wieder ein bisschen. Noch ein Punkt zu Chlyklass. Die haben ja
Mitte November wieder dort gespielt. Da waren es dann aber wieder leider
weniger als 200 Leute. Die Anwesenden waren wohl auch bereits 2007 dort. Die
alte Garde kam wieder, weil man etwas geholt hat, was damals gerockt hat. Ein
paar Events wie Afterdinner-Party oder SchnauZug sind zwar voll aber sonst war
leider nicht viel los.
Flap: Es gibt ja
immer viele Ansichten wie man was machen sollte. Ich habe mir auch viele
Gedanken dazu gemacht. Ich bin überzeugt, dass wenn du so eine Location hast,
diese zweimal im Monat ausverkaufen musst. Wirklich grosse Künstler, dann hast
innerhalb von 2 Jahren auf dein Stammpublikum wieder. Erst dann kannst du
wieder Kultur-Föderung betreiben. Wenn du einem fünfzehnjährigen Weibello sagen
kannst „hey, komm zu in’s Vorprogramm“. Dann hat er eine gute Plattform. Je
früher man jetzt damit startet desto besser. Ich glaube wenn man die richtigen
Acts buchen würde, würde es wieder funktionieren. Davon bin ich überzeugt.
Chandro: Bin gleicher
Meinung. Aber man muss berücksichtigen, dass es allgemein für Konzerthäuser
momentan keine einfache Zeit ist. Auch eine Schüür hat es nicht einfach. Es
betrifft alle. Dies möchte ich noch zur Verteidigung erwähnt haben.
Tom:
Habt ihr generell das Gefühl, dass ihr ausreichend Bookings bekommt?
Flap:
Schweizweit gesehen ist es sicher sehr schwer wenn man
aus Zug kommt. Aber dafür wirst du dann eher mal hier gebucht. Jeder hat seinen
Heimvorteil. Klar haben wir nicht die grössten Open Air’s hier. Nach vier
Jahren haben wir aber wieder mal das Rock the Docks gespielt. Wenn wir jetzt
nicht aus Zug wären, hätten wir bestimmt nicht dort gespielt. Prinzipiell habe
ich etwas Mühe wenn sich Künstler beschweren und nörgeln. Macht doch was. Ich
möchte jetzt nicht die grosse Kelle schwingen, wir konnten auch nicht mehr in
die Galvanik und mussten ausweichen. Wir gingen dann in die Chollerhalle.
Anfangs war es auch zu gross. Wir blieben aber konstant dran und haben es
versucht. Das letzte Mal haben wir sie dann gefüllt. Wenn du machst und dran
bleibst gehst du deinen Weg sowieso.
Chandro: Im oberen
Segment bei den Open Air’s ist es dann einfach folgendermassen. Es sind
politische Dinge die laufen. Die Booking-Agenturen supporten ihre Acts, das ist
logisch und normal. Schade ist, dass viele Leute es nicht checken. Wenn ein
grosses Open Air sein LineUp bekannt gibt dann bekomme ich Nachrichten wie „hey,
warum nöd?“ oder „habt ihr kein Bock?“ So ist es nicht. Wir spielen immer, wenn
wir angefragt werden. Wir sind jetzt auch nicht die Abzocker-Band die mit hohen
Gagen übermässig viel Kohle schaufeln will. Geht überhaupt nicht um dies. Du
nimmst was du kannst und gibst dein Bestes. Das gleiche Motto wie immer, so.
Flap: Es ist ein
sehr grosser Unterschied ob wir von einem Open Air zum Beispiel in Malans oder
einem in Bern sprechen. Wenn Malans zum Beispiel Breitbild buchen will dann ist
das doch cool. Sie wollen exakt diese Band und es geht eben um genau diese
Band. Wenn Rock the Docks findet wir wollen Fratelli B dann sollen sie uns eben
buchen. Das ist die eine Art von Bookings. Wenn wir spezifische Rap Open Air’s
anschauen, wo auch viele Touristen ranpilgern, dann heisst es vielleicht „Ja,
wir wollen Steff la Cheffe und Stress“ und dann haben sie noch 5 Slots wo es
dann eigentlich egal ist wer spielt. Die werden einfach verteilt. Ich
übertreibe natürlich ein bisschen, aber es geht in diese Richtung. Das sind
Politics. Das läuft dann über die 2 – 3 grossen Bookers in der Schweiz. Die
pushen ihre Acts dann natürlich rein. Mit dem habe ich dann etwas Mühe.
Scheissegal ob die Acts dann auch was taugen. Als Künstler fühle ich mich da
etwas ungerecht behandelt. Aber auch hier wieder: Weitermachen. Kämpfen. Boxen.
Mit Jammern spielst du nie dort.
Tomahawk:
Es kommt darauf an, was du erreichen willst. Willst
du dir den Arsch aufreissen bis zum allerletzten so dass du überall spielen
kannst? Was hast und willst du für eine Marketing-Strategie? Ich persönlich
kann immer wieder irgendwo spielen gehen. Ich bekomme Anfragen für hier und
auswärts. Manchmal geht etwas mehr, manchmal etwas weniger. Ich bin nicht der
Typ der jedes Wochenende immer irgendwo spielen will. Neben dem anderem was ich
mache, ist mir dies zu stressig. Ich bin zufrieden so wie es ist. Zudem werde
ich mittlerweile auch vermehrt für Rap-Workshops an Schulen oder sonstigen
Events für Kinder und Jugendliche gebucht. Hip Hop ist so auch ein bisschen in
mein Berufsleben eingeflossen.
Weibello: Das sind gute
Aspekte von Hawk. Du musst als Künstler selber wissen, was du willst. Wenn eine
offensichtliche Open Air – Band nicht an einem Open Air spielen kann dann ist
etwas falsch gelaufen. Ich darf mich sowieso nicht beschweren, da ich ohne
aktuelles Release froh bin, wenn ich überhaupt irgendwo auftreten darf.
Tom:
Das stimmt nicht ganz.
Weibello:
Ja schon, aber es ist zuwenig wenn ich nur irgendwo
da und da ein Featuring mache. Nein, es geht ja nicht darum. Man kann könnte
zum Beispiel auch zufrieden sein und sagen ich bin gar kein Open Air – Typ. Ich
finde es eher scheisse wenn du als Künstler eigentlich an diese Open Air’s
willst und du kannst nicht. Das mit diesen Politics finde ich eben auch. In Zug
hatten wir dieses Jahr ein grosses Open Air. Das Pfadi – Open Air in Menzingen,
ein einmaliger Anlass. Es waren dann genau 4 aktuelle Zuger Releases am Start:
Fratelli B, Tomahawk, Stuck in Traffic und Stuberein. 4 Zuger Bands mit neuem
Material. Niemand von denen wurde gebucht. Mich traf es auch persönlich, da das
Open Air in meinem Dorf statt fand, hätte ich schon erwartet, dass ich dort
auch spielen darf. Das sind Politics.
Flap: Ich finde
halt man muss schon unterscheiden. Ein Anrecht irgendwo zu spielen hat niemand.
Sorry, mein Vater singt hobbymässig Opern. Er würde auch gern im Opernhaus
Zürich singen. Letzten Endes sollen doch die Leute bestimmen wer kommt. So hart
wie es tönt. Ausser wir sprechen wieder von Kultur-Förderung. Ich hätte auch
gerne in Menzingen gespielt. Wenn die oder das Publikum mich nicht wollen, so
what! Da kann ich doch nicht grännen. Es steht mir nicht zu. Ich habe kein
Anrecht darauf.
Tom:
Rap war ursprünglich ein kritisches Sprachrohr der Gesellschaft und ist dies
auch heutige noch. Mittlerweile ist Rap aber auch sehr kommerziell und populär
geworden. Ist dies ok für euch oder würdet ihr es begrüssen wenn es wieder
weniger kommerziell würde?
Tomahawk:
Rap oder Hip Hop im Allgemeinen hat viele
Facetten. Aus dem Ganzen ist viel entstanden. Das ist voll ok. Jeder soll sich
das rausnehmen was er gut findet. Falls sich einer für die kommerzielle Schiene entscheidet ist das
ok für mich. Für mich stimmt mein Weg den ich eingeschlagen habe, dies ist authentisch.
Ich gehe auch nicht haten, ich hör mir einfach nicht an was mir nicht gefällt.
Das sozialkritische gab es immer, vielleicht nicht
immer an der Oberfläche. Viele sagen 90er Golden Era sei der Shit gewesen. Finde ich geil, super. Aber es gibt auch in
der heutigen Zeit immer wieder geile Rap Acts, Bands oder Alben die mich ansprechen.
Flap: Sehe ich
ähnlich. Das systemkritische ist einfach eine Waffe, eine Stärke von Rap. Wenn
du wirklich was kritisieren möchtest ist das der beste musikalische Weg. Unser
Track „Mini Stadt“ hättest du jetzt nicht so singen können. Das funktioniert im
Rap eben am besten und wenn es Inhalt hat, wird es auch immer funktionieren.
Mittlerweile gibt es halt viel Jiggy-Jiggy Hip Hop in den Charts. Das kratzt
mich nicht gross. Ist mir ziemlich egal.
Chandro: Ich finde es
noch spannend. Man sollte es differenzieren. Deutschland funktioniert anders
als die Schweiz, und Amerika ist nochmals anders. Bei den Deutschen ist es
immer noch der Gangsta-Rap neben dem Pop-Rap der abgeht. Cro zum Beispiel macht
sein Pop-Ding. Und diese Bushido’s dieses Gangster-Ding machen. Wenn du
schubladisieren möchtest. Die sind gross und für viele andere ist es schwieriger.
In der Schweiz ist es eher umgekehrt. Gangster-mässig haben wir eigentlich
nichts. Was wir hier alle machen ist relativ straight. Gewisse Rapper klingen
dann moderner und gehen in die Traprichtung und andere halten es eher klassisch.
Aber die die durch die Decke gehen sind alle Pop. Die flirten mit dem Pop.
Lo&Leduc oder Steff la Cheffe das ist Pop mit gerappten Inhalten. Das ist
ein bisschen schade, dass „nur“ solche Acts grössere mediale Aufmerksamkeit
geniessen. Bei uns muss man immer noch, wenn man wirklich durch die Decke gehen
will, Richtung Pop schielen. So ein bisschen Bünzli-Musik. Tönt sehr doof, ist
aber irgendwie so. Wegen dem kleinschrumpfen und grosswachsen...für die, die in
der Szene sind, ist es in den letzten 10 Jahren eigentlich immer gleich
geblieben. Es gibt diese Szenehelden, die es da und dort etwas weiter geschafft
haben als anderen. Die gibt es nach wie vor. Etwas neuer ist, dass so ca. alle
5 Jahre einer richtig gross herauskommt, sich dann aus der eigentlichen Szene
verabschiedet.
Flap:
Es ist effektiv so in der Schweiz. Alle hier die
etwas grösseren Erfolg gehabt haben, haben Pop-Rap gemacht. Für uns Rapper ist
das Pop. Das ist aber auch nachvollziehbar weil ich glaube mit diesem
kritischen Ding ist es schwierig die Masse hier abzuholen. Es wirkt dann halt
schnell wie jammern auf einem hohen Niveau. Wenn ein Ami rappt dass er nichts
zu essen hat, dann können das viele nachfühlen. Wir kritisieren dann unsere
Stadt und dann geht es um Sachen wie die Immobilienpreise sind hoch...das ist
dann irgendwie lächerlich. Das ist eine Lappalie. Dies ist halt auch ein Punkt
in der Schweiz.
Tomahawk: Das Ding ist...wenn du
wirklich was kritisches raushaust, will das die grosse Masse überhaupt
hören? Wollen die Medien dies verteilen? Es kommt drauf an, was es ist. Mein
Tamiflu-Track zum Beispiel geht gegen die
Pharma-Industrie und das System in dem wir leben. So ein Track wird nie gross
werden. Zumindest nicht in den Medien, weil es an den Grundpfeilern des Systems
sägt. Weil es das System angreift.
Mainstream ist eher so Larifari-Rap an dem sich niemand stört.
Flap:
Eine explosive Mischung, jetzt auch in Amerika, ist
immer dann entstanden wenn jemand etwas kritisiert hat was die Breite Masse
auch so gesehen hat. Dann hast du das Oel und das Feuer das zusammenkommt.
„Mini Stadt“ hatte schon so ein bisschen das Potential dazu. Zumindest hier in
Zug. Lokal haben wir sehr viel Feedback bekommen. Das ist wieder nörgeln auf
hohem Niveau. Meine Eltern könnten zum Beispiel diesen Song eventuell sogar fühlen.
Aber einen Lo&Leduc – Song fühlen sie dann halt auch. Darum verkaufen diese
dann auch viel mehr als wir.
Tomahawk: „Mini Stadt“
ist ein Track der sich selber in der Stadt verbreitet hat. Der braucht gar
nicht gross von den Medien gepusht zu werden. Jeder der sich damit
identifiziert zeigt das weiter. Das ist cool, finde ich gut.
Weibello: Ich finde es
ok dass Hip Hop kommerziell sein darf. Alles was gut ist, soll Erfolg haben. Was
mich mehr stört ist, dass es immer und überall reinfliessen muss und dass dann
Hip Hop so cool wirkt und rüberkommen soll. Mit Bio-Werbungen und so. Die Masse
hat dann das Gefühl so „aha, das ist jetzt eben Hip Hop“. Das finde ich
problematisch. Wenn ich mich in einer neuen Gruppe vorstellen muss, vermeide
ich es voll zu sagen ich sei ein Rapper. Vielfach kommt es nicht gut oder vorallem
falsch an. Der Ruf ist immer noch problematisch. Die älteren denken dann „ah,
der macht so Bio-Werbung“ und die jüngeren so „Gangster, der will ein bisschen
hart wirken“. Grundsätzlich ist es so, wenn du oben mitspielen willst musst du
den Pop küssen oder sonst mega provozieren. Etwas intelligentes hat leider nie
mega Erfolg. Hat es mal gegeben mit Sektion Kuchichäschtli aber sonst
eigentlich nicht. In der Schweiz gibt es leider keinen der mir selber schon
mega etwas auf den Weg gegeben hat.
Chandro: Ich glaube
diesen Gedankengang haben viele Schweizer. So nach dem Motto: Wenn etwas von
der anderen Haustüre kommt, kann es ja nicht besser sein. Das ist ein
Mentalitäts-Problem. Wenn ein Ami kommt so „oh wow, ich muss den schauen
gehen“. Die Ami-Szene verfolge ich in den letzten 3 Jahren nicht mehr so krass
wie früher. Schweizer Musik ist viel besser als viele denken. Es gibt so viele
Sachen die gut sind. Viele sagen hier so kleinlaut, wenn sie gefragt werden was
sie machen „ich mache Musik“. Sei doch stolz darauf. Ich verstehe es ja, dass
einige dann abgestempelt werden. Hey, man sollte doch stolz sagen können „hey
ich rappe!“ Ich bin Lehrer. Früher oder später erfahren die Lehrer und Schüler
was ich mache. Die Schüler sind cool damit. Die Fragen dann „geht es mehr in
Richtung Farid Bang oder Cro?“. Bei den Lehrern ist es anders. „hey, voll cool,
ist ja fast so wie Bligg!“. Ich denke dann: Bis doch einfach still. Ich hoffe
das pendelt sich hier auch ein. In Amerika gibt es ja einige Rapper über 40.
Das ist dort einfach normal. Diddy hat zum Beispiel zum Geburtstag sein Mixtape
rausgehauen. Voll geil. Aber wenn du Mister Weibello nicht einmal von dir sagst
dass du Rapper bist, dann musst du dich au nicht beschweren, wenn andere von
Rap ein falsches Bild haben. Sei doch stolz darauf zu rappen und nicht „nur“
ein Musiker zu sein.
Tomahawk: Cool ist auch, dass die Jugend heute mit Schweizer Rap
aufwachsen kann. In meiner Zeit damals war das nicht so der Fall wie heute. Es
gab ein paar wenige. Ich habe auch Englisch oder Hochdeutsch gerappt am Anfang.
Dann hast du mal Wrecked Mob gehört und festgestellt dass es Leute gibt die auf Schweizerdeutsch
rappen. Voll geil. Das wollte ich dann auch. War auch komisch zu hören am Anfang für die Leute. Aber dies war
egal, wir lebten einfach den Hip Hop – Spirit. Durch die Aufbau-Arbeit der Pioniere und die weiteren
Generationen konnte es dann wachsen.
Flap:
Die Schweiz bietet auch Vorteile. Als ich das erste
Mal ein Schweizer Rapper gehört habe konnte ich es kaum fassen. Ich glaube es
war Gleis Zwei und es war dann nicht mehr „Straight outta Compton“ sondern
Zürich, Langstrasse und Kreis 4 und so. Ich habe mir gedacht „wow, diese
Zürcher Rapper sind ja noch cooler als diese Amis“. Diese Nähe verbindet uns
extrem und ist auch eine Waffe. Du musst sie nur nutzen. Wenn ich „Mini Stadt“
auf englisch rappen würde, würde dies keiner mehr fühlen. Diese Nähe, auf
Schweizerdeutsch, berührt viel mehr.
Chandro:
Viele Leute, auch der durchschnittliche Radio-Hörer
will dies gar nicht hören. Der will einfach ein bisschen Gedusel. Bisschen
mitpfeifen und nebenbei ein bisschen Arbeiten. Dann ist es wieder ein Fluch,
das Schweizerdeutsche. Dann verstehen sie noch was und müssen dazu sogar noch
überlegen. Das gibt es auch.
Tom:
Welche Musik hört ihr aktuell privat?
Tomahawk: Die neue Tomahawk & Cut-EFX EP "Sinkendi Schiff" die am 8 Januar erscheint. Apollo Brown, Killah Priest, Canibus,
Umse und Cr7z. Aber auch viele andere Sachen. Manchmal wenn ich
genug von Hip Hop habe, schmeisse ich auch mal chillige Meditations-Musik rein.
Oder auch Reggae. Als Rapper darf man auch mal was anderes hören.
Flap:
Schwierig etwas herauszupicken. Viel Soul und Jazz –
Sachen wie Gregory Porter. Shindy wegen der Akkustik und ich freue mich auf das
Album von Azad.
Chandro:
Ich höre vorallem Beats im Moment. Oder ich höre
unser neues Projekt, dass dann hoffentlich bald releast wird, um Zeilen
ausbessern zu können. Als letztes habe ich mir das Jadakiss – Album gekauft.
Ich freue mich auch auf’s Azad – Album und auf Prinz Pi.
Weibello:
Ich habe viel Musik gekauft in diesem Jahr. MoTrip
lief bei mir rauf und runter. Ich höre auch viel Beats. Mir geht es auch um die
Musik. Da könnt ihr lachen jetzt, aber wenn Adele so ein Song veröffentlicht
muss ich sagen, dass der einfach sackstark gemacht ist. Auch die französische
Chanson-Sängerin Zaz finde ich cool. Ich verstehe nichts aber spüre die
Emotionen. Gute Musik gehört gefeiert.
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