Montag, 7. März 2016

„Ich sehe mich eigentlich nicht als Hip Hop-Producer“


Der Luzerner Produzent und DJ Raphael Spiess aka Kackmusikk ist hierzulande einer der aufstrebendsten Musik-Produzenten. Seine Produktionen, unter anderem zu hören auf den Alben von Emm, Greis, Eldorado FM oder auch Mimiks, sind sehr charakterstark und eigenständig. Der ehemalige Teilnehmer der Red Bull Music Academy hat es verstanden einen modernen und zeitgeistigen Sound zu schaffen. Am 11. März erscheint nun das gemeinsam mit Emm realisierte Album „Nitroglyzerin“. Zeit für ein Gespräch.

Tom: Welche Aspekte sind dir generell wichtig wenn du Musik produzierst?

Kackmusikk: Das sind 3 Punkte bei mir. Auf die Gefahr hin, dass es vielleicht etwas abgedroschen klingt, in erster Linie muss ich Spass haben. Wenn ich beginne einen Beat zu machen, spiele ich zuerst einfach mal ein bisschen rum. Am liebsten mit irgendwelchen Synthis. Ich spiele und ich will Spass haben. Darum gehe ich auch in‘s Studio. In der Regel entwickelt sich dann daraus auch etwas. Wenn nicht, dann lasse ich es beiseite. Spass ist für mich der wichtigste Aspekt. Ich habe nun auch mit Auftragsarbeiten begonnen, auch dies macht mir grosse Freude. Der zweite Punkt der mir wichtig ist, hat einen Zusammenhang mit dem ersten Punkt. Ich habe den Anspruch etwas anders klingen zu wollen. Ich kann zwar weder Trap noch Rap-Beats oder Electronica in diesem Sinne neu erfinden. Aber ich möchte einen Trademark-Sound haben. Das ist mir wichtig. Ich denke, ich bin da auch nicht allzuweit davon entfernt. Viele Leute sagen mir, wenn sie einen Beat von mir hören „ja, das tönt voll nach dir“. Das ist für mich ein Kompliment und treibt mich weiter voran. Drittens ist es mir sehr wichtig, dass ein Song, unabhängig von irgendwelchen Genren, eigenständig als Song funktioniert.

Tom: Du hast in der Vergangenheit diverse Projekte im Hip Hop – und Elektro – Bereich realisiert. Wie sehr verändert es deinen Arbeitsprozess, wenn du mit unterschiedlichen Künstlern arbeitest? Produzierst du für einen Hip Hop – Künstler anders als zum Beispiel für einen Elektro-Act?

Kackmusikk: Zur Beantwortung dieser Frage will ich vor allem hervorheben, dass ich mich eigentlich gar nicht als Hip Hop-Produzent sehe. Selbstverständlich habe ich einen Bezug zu Hip Hop, ich will mir aber dadurch keine Grenzen aufzwingen, ich will in meinen Augen gute Musik machen. Es gibt aber im Bezug auf deine  Frage schon einen kleinen Unterschied. Als ich zum Beispiel mit Emm begonnen habe zu arbeiten, habe ich gemerkt, dass ich die Produktionen immer zu voll gestaltet habe. Wenn ich Electronica produziere dann mache ich den ganzen Song. Das ist ja dann nicht nur ein Beat. Es ist ein ganzer Song von A bis Z. Ohne Vocals. Da produziere ich einfach bis ich das Gefühl habe, dass der Track nun komplett und voll ist. Das ist der Unterschied. Wenn ich mit Rappern zusammenarbeite muss ich immer im Hinterkopf haben, dass ich noch genügend Fläche und Raum übrig lasse. Sonst arbeite ich immer nach dem gleichen Schema. Ich nehme meine Ideen mit in’s Studio, erstelle damit erste Skizzen und verfeinere das Ganze dann laufend.

Tom: Arbeitest du auch mit Templates oder beginnst du jedes mal neu?

Kackmusikk: Ich habe einige Synthis, einen alten LEM Bit-99 und auch einen Roland MC-505. Das ist eine alte Kiste, die ich nicht mehr benutze um einen Beat zu machen, aber ich ziehe daraus noch Sounds. Die spiele ich dann ein, wenn ich finde dass es passt. Gerade zum Beispiel bei Acid-Sachen. Kannst du jetzt bei Rap nicht wirklich brauchen, aber ist halt sehr geil. Natürlich habe ich eine Bibliothek an Sounds, die ich mir über die Jahre angeeignet habe. Da hat es auch ein paar wenige gesamplete Sachen dabei. Ich bin aber nicht der Sample-Typ, dieser klassische MPC-Dude.

Tom: Das hört man bei dir ja auch.

Kackmusikk: Ich finde MPC voll geil. Ich respektiere jeden der damit geile Beats macht. Ich fühle mich aber in diesem Bereich nicht so wohl. Ich benutze mehr Software. Ich habe eine gut gepflegte Library mit allen möglichen Sounds drin. Damit baue ich mir erstmal ein Grund-Gerüst. Das ist wie ein Haus bauen. Da verlegst du auch nicht zuerst den Teppich. Das ist so in etwa meine Vorgehensweise. Wichtig ist mir, dass ich die Idee, die ich im Kopf habe, musikalisch auch umsetzen kann. Sonst bin ich nicht zufrieden. Das wird jetzt sehr nerdy und technisch hier.

Tom: Sehr gut. Bitte fahre weiter.

Kackmusikk: Ich habe ein grosse Vorliebe für Hi-Hats. Das hört man bei meinen Produktionen. Emm sagte mal zu folgendes, sehr treffend, zu mir: „Du benützt mehr Hi-Hats in einem Song als andere Produzenten in ihrer ganzen Karriere“. Mir ist es wahnsinnig wichtig, dass ich genau die Elemente, die ich haben möchte, auf den Beats sind. Und an der richtigen Stelle. Mich stört es zum Beispiel, wenn ich einen Song gemastered zurückbekomme und ich merke dass eine Hi-Hat nicht dort ist, wo sie sein sollte. Das treibt mich an, es das nächte Mal noch besser zu machen. Auch wichtig sind mir natürlich die Melodien. Das entscheidet dann meine Tages-Form. Wenn ich vielleicht mal einen nicht so guten Tag habe, kommt dann vielleicht etwas eher melancholisches dabei raus.

Tom: Das ist ja dann auch was schönes, so. Sich in der Musik von Emotionen leiten zu lassen. Darum geht es doch genau.

Kackmusikk: Ja, mega. Ich bin noch nicht ganz dort wo ich sein möchte und will auch noch viel besser werden. Ich bin froh, dass ich eben nicht nur Trap oder Club-Abriss Tracks machen kann sondern eben auch Songs produzieren kann, wo ich eine ganz bestimmte Emotion abrufen kann. Vielleicht sehen dies andere Produzenten anders, aber ich finde es viel schwieriger einen guten melancholischen Track zu machen. So Hands-up Banger sind auch geil, aber vielfach eben einfacher gestrickt.

 Tom: Aus wievielen Spuren besteht durchschnittlich ein Song von dir?

Kackmusikk (lacht): Aus vielen. Schöner Gruss übrigens an Sir Jai, der jetzt gerade unser neues Album „Nitrogyzerin“ gemischt hat. Gerade Hip Hop – Alben mische ich nicht selber. Ich mache ein Pre-Mixing, gebe es dann aber ab. Wenn du solange an den Tracks arbeitest, hörst du ab einem gewissen Zeitpunkt nichts mehr. Ich arbeite gerne mit ihm zusammen, weil er einfach Bescheid weiss und einen Plan hat. Es ist schon erstaunlich, das muss ich sagen, aber es macht alles Sinn. Nimm mal DJ Premier. Find ich immer noch top. Er hat einen Kick, eine Hi-Hat und eine Snare. Dann sampled er noch was dazu, zum Beispiel ein bisschen Soul. That’s it. Dann sind dann 5 – 10 Spuren. Und ich habe irgendwie 50 Spuren. Das ist kein Witz. Manchmal habe ich 4 verschiedene Hi-Hats, nicht übereinander sondern an verschiedenen Stellen. Ich möchte nicht nur einfach einen Loop haben und ihn dann auf 4 Minuten hochstrecken. Auch wenn es für einen Rapper ist, möchte ich das Ganze autonom funktionieren lassen. Ich möchte dass der Beat in sich wächst und sich im Laufe der Zeit entwickeln kann. Das ist mir sehr wichtig.

Tom: Welche Herangehensweise hast du wenn du zusammen mit Emm Musik produziert?

Kackmusikk: Die hat sich eigentlich im Laufe der Zeit nie gross verändert. Wir beschliessen gemeinsam wieder etwas zu veröffentlichen und dann gibt es erstmal Arbeit, für beide. Er macht sich Gedanken bezüglich Texte. Da kann ich ihm nur bedingt helfen. Ich gebe ihm dann ein paar Beats. Da ich in der letzten Zeit sehr produktiv war, habe ich immer 10, 20 Beats abrufbar. Ich zeige ihm aber nicht alle, nicht weil ich das Gefühl habe, dass dieser Beat jetzt einem anderen Rapper besser stehen würde sondern weil ich Emm mittlerweile sehr gut kenne und genau weiss  wo er am besten klingt. Er kann es zwar auf jedem Beat killen, aber es ist ja das Ziel ein stimmiges Album zu machen. Ich gebe ihm immer ein paar Banger, es sollen aber auch melancholische und experimentelle Sachen Platz haben. Am Ende des Tages heisst dieses Projekt „Emm x Kackmusikk“ und nicht Emm, produziert von Kackmusikk. Ich bringe meine Seite da auch ein. Ich finde das Album sogar noch besser als „TGIM“. Ich schlage ihm wie gesagt ein paar Beats vor und dann entscheidet er welche er möchte und über welchen er was macht. Das ist wirklich cool an Emm. Er trifft es immer wieder gut und kann die Instrumentals sehr gut einschätzen. Er weiss genau wenn es zum Beispiel eher deep wird und so schreibt er dann auch. Wir sind Freunde und kennen uns bestens.

Tom: Wie siehst du aus Produzenten-Sicht die Radio – und Musik –Landschaft in der Schweiz?

Kackmusikk: Ich denke, ich darf da etwas kritisch sein und muss etwas ausholen. Ich stelle fest, dass die Radios in diesem Land für viele normale Musik-Konsumenten meinungsbildend sind. Zum Glück gibt es Radio-Stationen. Aber ich glaube, dass diese etwas Angst haben. Ich sage dem jetzt bewusst Angst, weil die gespielten Songs, doch immer ungefähr nach dem gleichen Schema ablaufen. Aus Sicht von Schweizer Produktionen. Ja nicht eine zu deepe Message und ja nicht anecken. Und ja nicht in eine Nähe kommen, ob jetzt Hip Hop oder nicht, die bei gewissen Leuten auf Abneigung stossen könnte. Weil sie es noch nicht kennen. Das stört mich. Klar, es geht auch anders. Zum Beispiel bei Mimiks. Wird auch nicht in den grossen Radios gespielt, hat aber trotzdem seine Fan-Base aufbauen können. Die Radios könnten aber eben auch mithelfen, gute Musik aus diesem Land vielfältiger zu fördern. Es ist ja nicht nur im Hip Hop – Bereich. Auch die Rock-Musiker oder aber Künstler im elektronischen Bereich haben im Prinzip das gleiche Problem. Die Musik, die nicht gespielt wird, ist nämlich in den meisten Fällen gut. Die Standards in Bezug auf Schweizer Produktionen, im Vergleich zu vor 10 – 15 Jahren, sind stark gestiegen. Das sind Welten. Darum ist das schade, dass dies nicht mehr unterstützt wird. Ich glaube auch, dass wenn man jetzt genau solche Sachen spielen würde, die bis dato nicht gespielt wurden, sogar noch gut ankommen würden. Ich denke nicht, dass die Radio-Konsumenten damit ein Problem hätten. Die würden vielleicht sagen „hey, kannte ich gar nicht, ist ja cool“.

Tom: Welche Musik feierst du selber? Was hörst du privat?

Kackmusikk: Ich bin ein wahnsinnig grosser Country-Fan. Ich bin ein bekennder Fan von Johnny Cash. Ich kenne seine Biographie mehr oder weniger auswendig und war auch vor Ort in Nashville und Hendersonville. Mich beeindruckt er als Mensch und Musiker. Ich feiere auch Conway Twitty mad. Versteht niemand, weil ist so seichte Country-Musik in der es so um Liebe geht. Ich mag zudem Gitarrenmusik. Meine zweite Musik-Liebe ist dann Metal. Ich bin in einer Metal-begeisterten Familie aufgewachsen. Bin ich bis heute noch Fan. Ich höre eigentlich eher weniger Rap. Ami-Rap und französischer Rap finde ich aber cool. Da ich zudem seit etlichen Jahren als DJ unterwegs bin höre ich natürlich auch wahnsinnig viel elektronische Musik, sei dies Shangaan Electro, Jersey Club, New Orleans Bounce oder diese Ballroom-Geschichte. Ernsthaft, es gib unzählige, der grösseren Masse unbekannte Genres, die ich unbedingt in meine Sets und meine Produktionen einfliessen lassen will. So gesehen verbringe ich ziemlich viel Zeit damit Musik zu hören und zu entdecken.

Tom: Was hörst du zum Beispiel für französischen Rap? Booba? Kaaris?

Kackmusikk: Kaaris finde ich toll, auch PSO Thug gefällt mir gut. Zugegeben, die Texte sind zeitenweise sehr fragwürdig, ich konsumiere Rap-Musik aber ehrlich gesagt auch oft auch gerade wegen den Instrumentals. Ich will stets raushören können wie, wo, welches Rim oder welche Snare gesetzt worden ist. Sehr nerdy halt.. Deutscher Rap höre ich gar nicht. Das hat mich nie wirklich abgeholt. Ich lasse mich gerne von allem möglichen inspirieren. Vielleicht mal ein Gitarre einfliessen lassen oder einem Beat einen ungeahnten Twist in Richtung Techno oder Footwork verleihen. Ich glaube dies merkt man meinen neuen Produktionen für Nitroglyzerin recht gut an.

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