Sonntag, 17. April 2016

„Ich suche nach schönen Ideen, die sich durch den ganzen Song ziehen“


Manuel Liniger, 28, besser bekannt als Manillio releast aktuell sein drittes Album „Kryptonit“. Ein vielseitiges Werk, dass viele Bilder und Assoziationen zulässt. Zeit für ein Gespräch.

Tom: 2006 hast du dein erstes Mixtape veröffentlicht. Mittlerweile sind unter anderem 3 eigene Alben und auch noch ein Eldorado FM – Album dazugekommen. Daneben hast du auch viele Konzerte gespielt. Gab es einen Moment der dich am meisten geprägt hat?

Manillio: Als mein Album „Irgendwo“ erschienen ist, hat dies auf jeden Fall meine Perspektive nochmal verändert: Ich spürte dass das Ganze, unter anderem auch mit Live-Band, wirklich noch viel Potential hat. Zudem hatte ich den Eindruck, auch ausserhalb der HipHop-Szene ernst genommen zu werden. Das gab mir ein gutes Gefühl für die Zukunft, hat mich geprägt und gab mir nochmals einen Schub.

Tom: Wie hast du dich selber als Künstler in den letzten 10 Jahren verändert oder entwickelt?

Manillio: Am Anfang war ich einfach jung und die Hörner am abstossen. Ich hatte ein starkes Bedürfnis jedem zu zeigen dass ich gut rappen kann. Auf einer Competition-Ebene. Ich fand dass ich dies mindestens so gut kann, wie die Leute die damals als cool galten. Mein oberstes Ziel war es einen Label-Deal zu bekommen. 2008 unterschrieb ich dann bei Nation Records. Darauf hatte ich hingearbeitet. Gebt mir ein Budget und ich lege los. Als ich das dann erreicht hatte, musste ich mir erstmal neue Ziele suchen und auch sehr grundsätzliche Fragen klären: Was möchte ich sagen? Wofür stehe ich? Da habe ich mich neu orientiert. Ich bin aber nach wie vor hungrig. Auf „Kryptonit“ hatte ich den Anspruch zu zeigen, dass ich immer noch Bock habe. Ich möchte herausfinden was noch möglich ist. Wohin führt die Reise und wie gross kann es noch werden. Das ganze Battle-Rap Ding ist nun nicht mehr zentral. Ich denke ich werde respektiert in der Szene. Ich glaube ich habe meine Nische gefunden und fühle mich dort wohl. Mein Fokus liegt eher darauf, richtige Songs zu machen. Meine Herangehensweise im Vergleich zu früher hat sich ebenfalls verändert. Ich glaube ich werde immer konzeptioneller. Die Songs als Ganzes gesehen sind das wichtigste. Früher wollte ich einfach auf einem Beat krass rappen und abwechslungsreiche Flows auspacken. Mittlerweile möchte ich in erster Linie schöne Songs machen. Tracks die Bestand haben und die ich auch selber hören möchte.

Tom: Welche Aspekte sind dir generell wichtig wenn du Texte schreibst?

Manillio: Das mit der Rap-Technik ist nah wie vor tief verankert in mir. Die Reime müssen sitzen. Sonst stresst mich das. Manchmal steht mir das auch im Weg. Generell möchte ich einfach coole Konzepte haben. Ich suche nach schönen Ideen, die sich durch den ganzen Song ziehen. Beim neuen Album habe ich auch grossen Wert auf abwechslungsreiche Strukturen gelegt. Ich wollte mich auf eine Art und Weise etwas vom klassischen Rap-Schema lösen. Nicht immer nur Strophe, Refrain und so weiter. Vielleicht mal ein kurzer Rap-Teil und dann ein Switch – Arrangements. Bei „Monbijou“ hat es ja zum Beispiel einen Pre-Chorus der sich wiederholt. So versuche ich mich songwriting-mässig weiterzuentwickeln. Bei 3 – 4 Songs habe ich dies gut hinbekommen. Ein paar andere haben dann wieder das klassische Rap-Schema.

Tom: Wenn ich von deiner Diskografie mit „Stärne“, „Wo mi findsch“ und „Monbijou“ stellvertretend 3 Songs herauspicke, geht es bei dir thematisch gesehen viel um Reflexionen auf Freundschaften, um den gegenseitigen Umgang sowie auch über den Platz den man in der Gesellschaft sucht oder einnimmt. Fühlst du dich da textlich gesehen einfach am wohlsten?

Manillio: Ja, offenbar schon. Ich habe mir dies aber nicht bewusst so zurechtgelegt. Das sind einfach Dinge die mich beschäftigen. Meine Songs entstehen aus einer Inspiration oder Idee heraus. Hintergrund bei „Wo mi findsch“ war zum Beispiel mein Umzug von Solothurn nach Zürich. Ich wollte meinen Freunden sagen, dass sie keine Angst haben müssen, ich wolle ihnen nun den Rücken zukehren. Das hat mich irgendwie beschäftigt. So wollte ich ein positives Signal senden und sagen „hey, ich bin viel unterwegs und so, aber ihr könnt mich jederzeit erreichen – ich bin da für euch“. Die Texte entstehen oftmals so natürlich.

Tom: Jetzt kommt aktuell dein drittes Album. Hattest du dafür eine bestimmte Vision im Kopf?

Manillio: Soundmässig gesehen hatte ich bei meinem letzten Album ein klareres Bild gehabt, als dies jetzt der Fall ist. Das Album war auch sehr melancholisch. Bei Kryptonit wollte ich etwas glücklicheres machen. Das Album wird jetzt im Frühling veröffentlicht und der Sommer steht vor der Türe. «Irgendwo» wurde zwar auch im Frühling releast, war aber mehr ein Herbst-Album. Wir haben also versucht ein paar Chords zu wählen die eher „happy“ sein sollten. Dann musste ich aber schnell feststellen, dass es so nicht funktioniert. Ich musste mich auf mein Gefühl verlassen und der ganze Prozess kam ins Rollen. Anschliessend hat sich alles zusammengefügt. Das Album geht in verschiedene Richtungen. Sir Jai und Ruck P, meine Haupt-Produzenten, haben spasseshalber immer gesagt „ah, wird eine coole Compilation“. Weil sie fanden dass es eben in alle Richtungen geht. Das war so der Running Gag. Ich finde aber, dass sich nun alles schön zusammenfügt. Für mich ist es positiv abwechslungsreich.

Tom: Deine Songs, und auch z.B. das letzte Eldorado FM-Alben, klingen akkustisch als Ganzes immer sehr hochwertig. Hast du was Beats betrifft mittlerweile sowas wie ein goldenes Händchen wo du genau weisst welchen du picken musst? Wo du weisst, dass du auf diesem gut rüberkommst?

Manillio: Ich habe noch nie einen Beat ausgewählt mit dem Gedanken „hey, darauf klinge ich gut“. Das ist einfach mein Geschmack. Ich habe auch einen sehr ambivalenten Geschmack. Ich habe Bock auf ganz verschiedene Sachen. Ich muss aber auch erwähnen dass man diesen Eindruck in erster Linie Sir Jai zu verdanken hat: Er ist einfach ein unglaublich guter Mischer. Da legen wir grossen Wert darauf. Als ich einem guten Freund mein neues Album vorspielte, meinte er dass es sehr eigenständig klingt. So wie kein anderer Act. Nicht in einem Rating-mässigen Sinne sondern von der Aesthetik her. Ein eigener Sound. Das hat mich sehr gefreut. 

Tom: Wenn ich die Featurings auf „Kryptonit“ durchgehe sticht für mich mit Büne Huber ein grosse Persönlichkeit besonders heraus. Euch verbindet eine Freundschaft – wie ist diese entstanden?

Manillio: Nach meinem letzten Album hatte er mich kontaktiert. Ich weiss nicht von wo er meine Handy-Nummer hatte. Damals war ich gerade in der Dominikanischen Republik. Wir sprachen über das Album und er hat mir sehr gutes und ausführliches Feedback gegeben. Er fand es sprachlich gesehen sehr gut umgesetzt. Ihn beeindruckte diese Art sich so auszudrücken. Als ich wieder in der Schweiz war trafen wir uns dann zum Mittagessen. Sowas kann dann gut und gerne auch mal 4 Stunden dauern. Man kann sich wunderbar mit ihm unterhalten. Von da an waren wir freundschaftlich verbunden. Ich fand das sehr schön. Ich wollte aber nie vorpreschen und unbedingt ein Feature ergattern, obwohl es naheliegend gewesen wäre. Umso schöner war es, als er mich dann für das Patent Ochsner – Album anfragte. Mit ihm kann man auch prima über Songwriting bzw. die Entstehungsweise von Musik sprechen. Er ist ein Komponist, spielt auch Gitarre, Piano eigentlich alles. Er kreiert im Gegensatz zu mir seinen Sound-Teppich selber. Er interessierte sich auch sehr über unsere Herangehensweise im Rap. Da erarbeiteten wir dann einige Skizzen. So ist übrigens auch „Aues Gloge“ entstanden. Er hat wirklich ein andere Herangehensweise als wir. Auch die Pause in der ersten Strophe ist so ein Beispiel. Das war sein Input. Er hat viel in der Produktion gemacht, Instrumente eingespielt und so weiter. Ruck P hat dann noch einen anderen Bass gemacht und die Drums haben wir noch etwas verändert. Es war eine 50/50 – Produktion, eine richtige Kollabo. Den Refrain hatte ich schon. Ich fand aber, dass er selber auch noch dort singen sollte. Er machte dann die zweite Stimme. Viele hören es aber nicht bzw. ist es so dass es halt nicht so prominent heraussticht. Ich höre es aber und bin natürlich wahnsinnig stolz.

Tom: Wir hatten in diesem Jahr mit Mimiks und Breitbild CH-Rap Acts die ganz vorne in den Charts waren. Wie wichtig ist dir selber eine solche mögliche Chart-Platzierung?

Manillio: Es ist schon wichtig. Nicht unbedingt für mich persönlich. Da spielen ja immer viele Faktoren mit. Du hast diese Release-Wochen. Mit Eldorado gingen wir auf Platz 2. Da hatten wir massiv Alben verkauft, viel mehr als andere Acts die auf die 1 gingen. Aber natürlich ist es wichtig, wenn man weit vorne einsteigt. Es ist ein gutes Argument um Konzerte zu bekommen. Es ist toll mal eine Top10 oder eine Nummer 1 zu haben, für mich ist es aber nicht das höchste aller Gefühle. Man weiss ja wie diese Charts zustande kommen. Das ist sehr ambivalent und nicht wahnsinnig aussagekräftig. Aber ja, ich hoffe dass ich möglichst gut charte. Wenn nicht ist es kein Welt-Untergang. Es ist mehr so ein Competition-Ding.

Tom: Welche Musik hörst du aktuell privat?

Manillio: Ich höre schon sehr viel Rap. 70 – 80 Prozent ist Rap. Das Kanye – Album habe ich aktuell viel gehört. Den letzten Kendrick Lamar – Release habe ich rauf und runter gehört. Aber auch Patent Ochsner zum Beispiel. Bezüglich Songwriting finde ich auch einige deutsche Acts sehr spannend. AnnenMayKantereit finde ich super. Oder auch das Songwriting und die Lyrics von Faber finde ich interessant. Als Inspiration höre ich mir viel Singer Songwriter Sachen an. Bei Ami-Rap ist ja das  Songwriting oft nicht wahnsinnig inspirierend. Es gibt Ausnahmen, wie zum Beispiel Kendrick, die coole Song-Strukturen haben. Sonst höre ich noch ein bisschen Rock und Querbeet. The Black Keys oder auch kubanische Musik. Ich bin aber schon sehr viel auf HipHop-Blogs unterwegs und würde mich als HipHop-Nerd bezeichnen, höre mir viele Rap-Podcasts an – das finde ich voll geil. Auch deutschen HipHop verfolge ich. SSIO und Haftbefehl zum Beispiel finde ich gut und habe ich mir viel angehört.

Tom: Wie findest du Megaloh?

Manillio: Sehr gut. Ich kenne ihn auch persönlich und er ist wirklich ein guter Typ. Es freut mich, dass es bei ihm derzeit so gut läuft. Auch Max Herre mag ich. Damit bin ich aufgewachsen. Freundeskreis war meine erste Rap-Platte. Max ist auch ein gutes Beispiel wie man mit Rap gut und stilvoll älter werden kann. Er macht Rap aber es ist auch irgendwie musikalisch.

Tom: Welche Ami-Acts feierst du?

Manillio: Travi$ Scott finde ich absolut King. Auch Young Thug und Future aktuell. Bezüglich Lyrics halt sehr random, aber ich finde es geil. Drake macht fast nur Hits. Was er so Songwriting-mässig macht und wie er Rap mit Pop kombiniert. Auch Anderson .Paak ist sehr cool. Was Chance the Rapper in letzter Zeit an Verses abliefert finde ich Wahnsinn. Seine Strophe auf "Ultralight Beam" ist überkrass.

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