Manuel Liniger, 28, besser bekannt als
Manillio releast aktuell sein drittes Album „Kryptonit“. Ein vielseitiges Werk,
dass viele Bilder und Assoziationen zulässt. Zeit für ein Gespräch.
Tom: 2006 hast du dein erstes Mixtape veröffentlicht. Mittlerweile sind
unter anderem 3 eigene Alben und auch noch ein Eldorado FM – Album
dazugekommen. Daneben hast du auch viele Konzerte gespielt. Gab es einen Moment
der dich am meisten geprägt hat?
Manillio: Als
mein Album „Irgendwo“ erschienen ist, hat dies auf jeden Fall meine Perspektive
nochmal verändert: Ich spürte dass das Ganze, unter anderem auch mit Live-Band,
wirklich noch viel Potential hat. Zudem hatte ich den Eindruck, auch ausserhalb
der HipHop-Szene ernst genommen zu werden. Das gab mir ein gutes Gefühl für die
Zukunft, hat mich geprägt und gab mir nochmals einen Schub.
Tom: Wie hast du dich selber als Künstler in den letzten 10 Jahren verändert oder entwickelt?
Manillio: Am
Anfang war ich einfach jung und die Hörner am abstossen. Ich hatte ein starkes
Bedürfnis jedem zu zeigen dass ich gut rappen kann. Auf einer
Competition-Ebene. Ich fand dass ich dies mindestens so gut kann, wie die Leute
die damals als cool galten. Mein oberstes Ziel war es einen Label-Deal zu
bekommen. 2008 unterschrieb ich dann bei Nation Records. Darauf hatte ich
hingearbeitet. Gebt mir ein Budget und ich lege los. Als ich das dann erreicht
hatte, musste ich mir erstmal neue Ziele suchen und auch sehr grundsätzliche
Fragen klären: Was möchte ich sagen? Wofür stehe ich? Da habe ich mich neu
orientiert. Ich bin aber nach wie vor hungrig. Auf „Kryptonit“ hatte ich den
Anspruch zu zeigen, dass ich immer noch Bock habe. Ich möchte herausfinden was
noch möglich ist. Wohin führt die Reise und wie gross kann es noch werden. Das
ganze Battle-Rap Ding ist nun nicht mehr zentral. Ich denke ich werde
respektiert in der Szene. Ich glaube ich habe meine Nische gefunden und fühle
mich dort wohl. Mein Fokus liegt eher darauf, richtige Songs zu machen. Meine
Herangehensweise im Vergleich zu früher hat sich ebenfalls verändert. Ich
glaube ich werde immer konzeptioneller. Die Songs als Ganzes gesehen sind das
wichtigste. Früher wollte ich einfach auf einem Beat krass rappen und
abwechslungsreiche Flows auspacken. Mittlerweile möchte ich in erster Linie
schöne Songs machen. Tracks die Bestand haben und die ich auch selber hören
möchte.
Tom: Welche Aspekte sind dir generell wichtig wenn du Texte schreibst?
Manillio:
Das mit der Rap-Technik ist nah wie vor tief verankert in mir. Die Reime müssen
sitzen. Sonst stresst mich das. Manchmal steht mir das auch im Weg. Generell
möchte ich einfach coole Konzepte haben. Ich suche nach schönen Ideen, die sich
durch den ganzen Song ziehen. Beim neuen Album habe ich auch grossen Wert auf
abwechslungsreiche Strukturen gelegt. Ich wollte mich auf eine Art und Weise etwas
vom klassischen Rap-Schema lösen. Nicht immer nur Strophe, Refrain und so
weiter. Vielleicht mal ein kurzer Rap-Teil und dann ein Switch – Arrangements.
Bei „Monbijou“ hat es ja zum Beispiel einen Pre-Chorus der sich wiederholt. So
versuche ich mich songwriting-mässig weiterzuentwickeln. Bei 3 – 4 Songs habe
ich dies gut hinbekommen. Ein paar andere haben dann wieder das klassische
Rap-Schema.
Tom: Wenn ich von deiner Diskografie mit „Stärne“, „Wo mi findsch“ und
„Monbijou“ stellvertretend 3 Songs herauspicke, geht es bei dir thematisch
gesehen viel um Reflexionen auf Freundschaften, um den gegenseitigen Umgang
sowie auch über den Platz den man in der Gesellschaft sucht oder einnimmt.
Fühlst du dich da textlich gesehen einfach am wohlsten?
Manillio:
Ja, offenbar schon. Ich habe mir dies aber nicht bewusst so zurechtgelegt. Das
sind einfach Dinge die mich beschäftigen. Meine Songs entstehen aus einer
Inspiration oder Idee heraus. Hintergrund bei „Wo mi findsch“ war zum Beispiel
mein Umzug von Solothurn nach Zürich. Ich wollte meinen Freunden sagen, dass
sie keine Angst haben müssen, ich wolle ihnen nun den Rücken zukehren. Das hat
mich irgendwie beschäftigt. So wollte ich ein positives Signal senden und sagen
„hey, ich bin viel unterwegs und so, aber ihr könnt mich jederzeit erreichen –
ich bin da für euch“. Die Texte entstehen oftmals so natürlich.
Tom: Jetzt kommt aktuell dein drittes Album. Hattest du dafür eine
bestimmte Vision im Kopf?
Manillio: Soundmässig
gesehen hatte ich bei meinem letzten Album ein klareres Bild gehabt, als dies
jetzt der Fall ist. Das Album war auch sehr melancholisch. Bei Kryptonit wollte
ich etwas glücklicheres machen. Das Album wird jetzt im Frühling veröffentlicht
und der Sommer steht vor der Türe. «Irgendwo» wurde zwar auch im Frühling
releast, war aber mehr ein Herbst-Album. Wir haben also versucht ein paar
Chords zu wählen die eher „happy“ sein sollten. Dann musste ich aber schnell
feststellen, dass es so nicht funktioniert. Ich musste mich auf mein Gefühl
verlassen und der ganze Prozess kam ins Rollen. Anschliessend hat sich alles
zusammengefügt. Das Album geht in verschiedene Richtungen. Sir Jai und Ruck P,
meine Haupt-Produzenten, haben spasseshalber immer gesagt „ah, wird eine coole
Compilation“. Weil sie fanden dass es eben in alle Richtungen geht. Das war so
der Running Gag. Ich finde aber, dass sich nun alles schön zusammenfügt. Für
mich ist es positiv abwechslungsreich.
Tom: Deine Songs, und auch z.B. das letzte Eldorado FM-Alben, klingen
akkustisch als Ganzes immer sehr hochwertig. Hast du was Beats betrifft mittlerweile
sowas wie ein goldenes Händchen wo du genau weisst welchen du picken musst? Wo
du weisst, dass du auf diesem gut rüberkommst?
Manillio:
Ich habe noch nie einen Beat ausgewählt mit dem Gedanken „hey, darauf klinge
ich gut“. Das ist einfach mein Geschmack. Ich habe auch einen sehr ambivalenten
Geschmack. Ich habe Bock auf ganz verschiedene Sachen. Ich muss aber auch erwähnen
dass man diesen Eindruck in erster Linie Sir Jai zu verdanken hat: Er ist
einfach ein unglaublich guter Mischer. Da legen wir grossen Wert darauf. Als
ich einem guten Freund mein neues Album vorspielte, meinte er dass es sehr
eigenständig klingt. So wie kein anderer Act. Nicht in einem Rating-mässigen
Sinne sondern von der Aesthetik her. Ein eigener Sound. Das hat mich sehr
gefreut.
Tom: Wenn ich die Featurings auf „Kryptonit“ durchgehe sticht für mich
mit Büne Huber ein grosse Persönlichkeit besonders heraus. Euch verbindet eine
Freundschaft – wie ist diese entstanden?
Manillio: Nach
meinem letzten Album hatte er mich kontaktiert. Ich weiss nicht von wo er meine
Handy-Nummer hatte. Damals war ich gerade in der Dominikanischen Republik. Wir
sprachen über das Album und er hat mir sehr gutes und ausführliches Feedback gegeben.
Er fand es sprachlich gesehen sehr gut umgesetzt. Ihn beeindruckte diese Art
sich so auszudrücken. Als ich wieder in der Schweiz war trafen wir uns dann zum
Mittagessen. Sowas kann dann gut und gerne auch mal 4 Stunden dauern. Man kann
sich wunderbar mit ihm unterhalten. Von da an waren wir freundschaftlich
verbunden. Ich fand das sehr schön. Ich wollte aber nie vorpreschen und
unbedingt ein Feature ergattern, obwohl es naheliegend gewesen wäre. Umso
schöner war es, als er mich dann für das Patent Ochsner – Album anfragte. Mit
ihm kann man auch prima über Songwriting bzw. die Entstehungsweise von Musik
sprechen. Er ist ein Komponist, spielt auch Gitarre, Piano eigentlich alles. Er
kreiert im Gegensatz zu mir seinen Sound-Teppich selber. Er interessierte sich
auch sehr über unsere Herangehensweise im Rap. Da erarbeiteten wir dann einige
Skizzen. So ist übrigens auch „Aues Gloge“ entstanden. Er hat wirklich ein
andere Herangehensweise als wir. Auch die Pause in der ersten Strophe ist so
ein Beispiel. Das war sein Input. Er hat viel in der Produktion gemacht, Instrumente
eingespielt und so weiter. Ruck P hat dann noch einen anderen Bass gemacht und
die Drums haben wir noch etwas verändert. Es war eine 50/50 – Produktion, eine
richtige Kollabo. Den Refrain hatte ich schon. Ich fand aber, dass er selber
auch noch dort singen sollte. Er machte dann die zweite Stimme. Viele hören es
aber nicht bzw. ist es so dass es halt nicht so prominent heraussticht. Ich
höre es aber und bin natürlich wahnsinnig stolz.
Tom: Wir hatten in diesem Jahr mit Mimiks und Breitbild CH-Rap Acts die ganz
vorne in den Charts waren. Wie wichtig ist dir selber eine solche mögliche
Chart-Platzierung?
Manillio: Es
ist schon wichtig. Nicht unbedingt für mich persönlich. Da spielen ja immer
viele Faktoren mit. Du hast diese Release-Wochen. Mit Eldorado gingen wir auf
Platz 2. Da hatten wir massiv Alben verkauft, viel mehr als andere Acts die auf
die 1 gingen. Aber natürlich ist es wichtig, wenn man weit vorne einsteigt. Es
ist ein gutes Argument um Konzerte zu bekommen. Es ist toll mal eine Top10 oder
eine Nummer 1 zu haben, für mich ist es aber nicht das höchste aller Gefühle. Man
weiss ja wie diese Charts zustande kommen. Das ist sehr ambivalent und nicht
wahnsinnig aussagekräftig. Aber ja, ich hoffe dass ich möglichst gut charte.
Wenn nicht ist es kein Welt-Untergang. Es ist mehr so ein Competition-Ding.
Tom: Welche Musik hörst du aktuell privat?
Manillio: Ich
höre schon sehr viel Rap. 70 – 80 Prozent ist Rap. Das Kanye – Album habe ich
aktuell viel gehört. Den letzten Kendrick Lamar – Release habe ich rauf und
runter gehört. Aber auch Patent Ochsner zum Beispiel. Bezüglich Songwriting
finde ich auch einige deutsche Acts sehr spannend. AnnenMayKantereit finde ich
super. Oder auch das Songwriting und die Lyrics von Faber finde ich
interessant. Als Inspiration höre ich mir viel Singer Songwriter Sachen an. Bei
Ami-Rap ist ja das Songwriting oft nicht
wahnsinnig inspirierend. Es gibt Ausnahmen, wie zum Beispiel Kendrick, die coole
Song-Strukturen haben. Sonst höre ich noch ein bisschen Rock und Querbeet. The
Black Keys oder auch kubanische Musik. Ich bin aber schon sehr viel auf
HipHop-Blogs unterwegs und würde mich als HipHop-Nerd bezeichnen, höre mir
viele Rap-Podcasts an – das finde ich voll geil. Auch deutschen HipHop verfolge
ich. SSIO und Haftbefehl zum Beispiel finde ich gut und habe ich mir viel
angehört.
Tom: Wie findest du Megaloh?
Manillio:
Sehr gut. Ich kenne ihn auch persönlich und er ist wirklich ein guter Typ. Es
freut mich, dass es bei ihm derzeit so gut läuft. Auch Max Herre mag ich. Damit
bin ich aufgewachsen. Freundeskreis war meine erste Rap-Platte. Max ist auch
ein gutes Beispiel wie man mit Rap gut und stilvoll älter werden kann. Er macht
Rap aber es ist auch irgendwie musikalisch.
Tom: Welche Ami-Acts feierst du?
Manillio:
Travi$ Scott finde ich absolut King. Auch Young Thug und Future aktuell. Bezüglich
Lyrics halt sehr random, aber ich finde es geil. Drake macht fast nur Hits. Was
er so Songwriting-mässig macht und wie er Rap mit Pop kombiniert. Auch Anderson
.Paak ist sehr cool. Was Chance the Rapper in letzter Zeit an Verses abliefert
finde ich Wahnsinn. Seine Strophe auf "Ultralight Beam" ist überkrass.
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