Freitag, 31. Juli 2015

„Konzerte zu spielen war unser Grundziel am Anfang”



Die Berner Lo & Leduc können aktuell grosse Erfolge vorweisen. Ihr Album „Zucker fürs Volk“ hält sich seit über 60 Wochen hartnäckig in den Charts und sie erhielten diverse Ehrungen an den Swiss Music Awards. Hinter den beiden steckt aber viel mehr: zwei herausragende Persönlichkeiten. Zeit für ein Gespräch.


Eure ersten drei Alben waren Gratis-Downloads. Was habt ihr für Erinnerungen an diese Zeit?

Lo: Sehr viele gute. Es war auch immer anstrengend, weil wir unter Druck am besten arbeiten. Alle drei Alben haben wir in sehr kurzer und intensiver Zeit produziert. Das war die Zeit, in der wir auch ein grosses und unglaublich gutes Netzwerk an Produzenten, Musikern und sonstigen intelligenten und spannenden Leuten aufbauen konnten, die nach wie vor mit uns Musik machen. Das war so etwas wie der zweite Grundstein. Der erste war unsere Band Pacomé. Auch sie ist uns erhalten geblieben. Dafür sind wir sehr dankbar. 

Aktuell habt ihr grossen Erfolg und befindet euch auch auf einer sehr grossen Konzert-Tournee. Was hat dieser Erfolg in euch ausgelöst?

Leduc: Wir haben immer wieder viele freudige Erlebnisse, weil wir so viele Konzerte spielen dürfen. Konzerte zu spielen war unser Grundziel am Anfang, darum wollten wir auch unbedingt wieder releasen. Sonst hätten wir auch einfach in unserem Bandraum, unter Freunden, etwas Musik machen können. Was generell auch völlig ok ist. Aber die Bühne ist an sich der schönste Teil des Ganzen. Neu gibt es natürlich auch mehr Mails als früher und einige Dinge, die man vielleicht nicht unbedingt bräuchte. Aber auch das gehört dazu. Ich glaube aber, dass sich vor allem die Aussenansicht stark verändert hat. Unser Team ist immer noch dasselbe. 

Hat es irgendeinen Moment in eurer Karriere gegeben, der euch am meisten geprägt hat?


In eurer Musik arbeitet ihr viel mit Bildern und bei den Texten gibt es oft auch mehrere Bedeutungsebenen. Welche Aspekte sind euch generell wichtig, wenn ihr Musik produziert?

Leduc: Was du ansprichst sind sicher so textliche Herausforderungen, die man sich selber setzt. Es ist auch für uns spannend zu sehen, wie sich das auch verändert. Früher haben wir oft alle möglichen Wortspiele zu Themen gesucht. Das kann man auch übertreiben. Wenn wir zurück auf die Releases schauen, gibt es Texte, die wir heute nicht mehr gleich intensiv mit diesen Wortspielereien schreiben würden. Wahrscheinlich, weil wir diese Art des Schreibens ausgereizt haben. Aktuell gibt es wohl weniger Wortspiele, als die Leute vielleicht Freude daran hätten. Wir wollen aber auch immer wieder Dinge ausprobieren. Jetzt beim aktuellen Album haben wir sicher viel auf Strophen und Struktur geschaut. Wie kannst du Texte verdichten, verkürzen. Vielleicht etwas wichtiges wiederholen, das sind so die Prozesse. Musikalisch gesehen hat jedes Album von uns seine eigenen Herausforderungen, die wir uns selber gesetzt hatten, mitgebracht. Das ist gut so, sonst wird es langweilig. Das merken wir jetzt auch innerhalb eines Album, darum haben wir auch eine neue Live-Umsetzung gemacht. Sonst würden wir auf der Bühne etwas gelangweilt dastehen. Das war aber sehr allgemein, jetzt.
Lo: Als wir zusammen mit Dodo angefangen haben „Zucker für’s Volk“ zu produzieren, trafen wir uns zu einer Sitzung, in der wir die Klangvision definieren wollten. Auf einem riesengrossen Blatt Papier, haben wir Bands, Instrumente, Lieder oder Textpassagen oder irgendwas aufgeschrieben. So wie wir uns eben vorstellen, wie das Ganze klingen soll. Das war ein ewiges Hin und Her. Zuerst war es zu sphärisch-rappig und dann war es eine Zeit lang nur noch Pop und dann sind wir wieder zurückgegangen. Das war ein langer und mühsamer Prozess, bis wir fanden: „OK – so tönt es gut“. So haben wir uns dann gefunden.

Lo, du hast mehrmals das Ultimate MC Battle gewonnen und bist auch immer noch mit der Freestyle Convention unterwegs. Welche Eigenschaften findest du für einen Rapper am wichtigsten?

Lo: Meinst du spezifisch als Freestyle-Rapper?

Nein, generell. Oder findest du, dass freestylen zwingend in das Gesamtpaket eines guten Rappers gehören muss?

Lo: Ich finde freestylen ist da nicht wichtig. Aus meiner Perspektive gibt es wenige gute Freestyle-Rapper die wirklich gute Texte schreiben. Wenn jemand beides kann, dann finde ich das sehr gut. Wenn ich mich entscheiden muss, dann bin ich sehr glücklich, wenn jemand gute Texte schreibt. Mir ist das lieber als wenn jemand gut freestylen kann. 

Ihr seid, zusammen mit Steff la Cheffe, die Vorreiter der neuen Berner Schule, die die Vibes teilweise etwas anders interpretieren. Mittlerweile beeinflusst ihr auch eine jungere Künstlergeneration wie z.B. Dawill oder den jungen Rapper Nemo, wo ich ganz klar etwas Leduc heraushöre. Nehmt ihr das auch so wahr und wenn ja, wie geht ihr damit um?

Leduc: Bei Nemo ist das sehr spannend, er ist wirklich sehr jung. Jemand aus unserer Band hat ihn entdeckt und wir haben es alle voll gefeiert. Er ist wirklich ein grosses Talent für sein Alter. Parallelen habe ich auch gesehen, aber ich habe mich grundsätzlich gefreut. Ich mache ja auch Sachen, die mir gefallen. Wenn wir es so prägen können, dass uns anderes auch mehr gefällt, dann ist das schön. Die Frage ist, ob wir das dann aber wirklich gemacht haben. Bei ihm habe ich dann online auch gesehen, wie er sich genau gegen solche „Vorwürfe“ rechtfertigen muss. Es ist abstrus einem 15-jährigen solche Vorwürfe zu machen. Hauptsache ist doch, dass er Musik macht. Seinen Liedern merkt man sehr stark an, dass dies eben seine Musik ist. Ich glaube wir atmen einfach die Luft derselben Zeit ein und checken vermutlich die gleichen Sachen aus. Stromae ist gut und darum tönt die neue Greis-Single so wie sie tönt und darum tönt unser Album so wie es eben tönt. Das ist der Zeitgeist. Ich verbinde das nicht zu fest mit mir und er macht das auch nicht und darüber bin ich auch froh. Er ist ein sehr eigenständiger Künstler für sein Alter. Die anderen Jungen sind auch gut. Es kommt krasses Zeug. Ist recht lustig, die Jungen sind voll oldschoolig. Wenn du vorher von Vibes gesprochen hast, die wir anders interpretieren sehe ich auch, dass die Jungen recht weit zurückgehen. Dawill hat ziemliche Oldschool-Beats. Finde ich recht gut.
Lo: Und er ist wirklich virtuos. Ich freue mich jedes Mal. Er wirkt so als hätte er seine Form noch nicht gefunden und das meine ich in einem explizit positiven Sinn. Er fängt irgendwo an und hört irgendwo auf, man fragt sich immer: „Was passiert jetzt und wo geht er jetzt hin“ und dann wechselt er noch die Sprache: Wird es Spanisch, Deutsch oder Englisch? Das ist sehr spannend zu hören.

Was hört ihr derzeit selber für Musik?

Lo: Aktuell habe ich mir gerade ca. 4 mal einen kompletten Live-Auftritt von Manu Chao angehört. Er und auch sein Bassist sind grossartig. Aktuell mag ich gerade Bilderbuch und Wanda. 
Leduc: Ich höre wieder mehr afro-kubanische Musik. Ich probiere gerade Rubén González nachzuspielen und scheitere kläglich.

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