Freitag, 7. August 2015

„Ich hatte voll Bock und Lust mein Fernweh zu kombinieren mit meiner Musik“


David Kohler alias Knackeboul gründete zusammen mit seinen Freunden im Alter von 14 Jahren die Band „Mundartisten“. 2006 begann er eine Solo-Karriere als Rapper und war auch als Moderator und Journalist bei DRS Virus, Zambo, Joiz und SRF tätig. Aktuell arbeitet er unter anderem für Watson und wird im Januar 2016 sein neues Album „Knacktracks“ veröffentlichen. Am 20. August wird es mit „Wieder zrügg“ einen Vorab-Release geben. Zeit für ein Gespräch.

Du bist in Portugal aufgewachsen. Was hast du für Erinnerungen an diese Zeit?

Knackeboul: Vorallem an den Strand. Als Kind ist das ein Traum wenn du aus der Schweiz kommst. Wir sind sehr oft am Morgen an’s Meer gegangen. Das ist etwas vom prägendsten und ich gehe auch jedes Jahr wieder dorthin. Das Gefühl in einem Land zu leben wo du an’s Meer kannst war riesig. Auf der anderen Seite aber auch die ganzen sozialen Abgründe, viel Slums und viele Flüchtlinge. Das passt ja eigentlich nicht so nach Europa. Meine Eltern hatten dort mit Flüchtlingen gearbeitet, darum habe ich auch an das viele Erinnerungen. Aber auch viele Gute diesbezüglich.

Freestyler, Beatboxer, Musiker, Moderator, Comedian, Journalist – von wo kommt diese Vielfalt?

Knackeboul: Ich weiss es auch nicht genau. Meine Mutter und mein Vater waren sehr verschieden. Meine Mutter ist eher sprachlich und textlich begabt und war auch Ballett-Tänzerin. Mein Vater war eher das einfachere Gemüt und ein sehr guter Schlagzeuger. Vielleicht habe ich einfach von zwei verschiedenen Menschen diese Talente bekommen. Es ist ein Fluch und ein Segen, so wie alles in meinem Leben. Es ist sicher auch ein „sich nicht entscheiden wollen für etwas“. Auf der anderen Seite habe ich aber auch das Gefühl, dass wir in einer Zeit leben, wo alles ein bisschen eklektisch ist und man sich verschiedenster Elemente bedient. Und eben viele Sachen ausprobiert. 

Welcher Moment in deiner Karriere hat dich am meisten geprägt?

Knackeboul: 2009 war ich auf Tour mit Delinquent Habits durch ganz Europa. Das waren 36 Konzerte in 7 Wochen. Fast jeden Abend ein Konzert in 10 verschiedenen Ländern. Alles fremde Sprachen und von einer grossen Tequila-Marke gesponsert. Da habe ich das grosse Band-Leben erleben dürfen. Auf den grossen Bühnen gespielt vor Leuten, die keine Ahnung hatten wer ich war und dann hat dieser Typ auch noch in einer komischen Sprache gerappt.

Du engagierst dich für Menschenrechte – was denkst du ist diesbezüglich die grösste Herausforderung für die Schweiz?

Knackeboul: Die grösste Herausforderung ist, dass diese Themen von Parteien und Medien-Konzernen plakativ bearbeitet werden um die Auflagen zu steigern. Das heisst man weiss, wenn man schreibt „Eriträer leben wie die Maus im Speck“ kommen zwar 500 Hass-Kommentare, aber am Medium ist das schlussendlich egal. Sie wollen einfach Traffic und Likes auf ihren Seiten. Alle Medien kämpfen ja irgendwie mit dieser ganzen Digitalisierung. Ich glaube, dass ist eine schwierige Kombination. Man schürt dieses Klima der diffusen Angst gegen Ausländer so einfach noch mehr. „Blick am Abend“ schreibt ja nicht gegen Ausländer, aber sie schreiben dann vielleicht ein Phänomen in einer plakativen Schlagzeile. Das schürt das Hirngespinst von der Gefahr. Das ist für mich das grösste Problem. Der breite, latente Rassismus ist ein Problem. Es ist aber schwierig, das alles kurz zu fassen.

Du hast Musik – und Medienkunst studiert. Wie siehst du allgemein die mediale Berichterstattung über HipHop in der Schweiz?

Knackeboul: Das ist eine gute Frage. Ich bin ja dafür auch angeprangert worden. Das ist genau mein Dilemma. Zum einen sehe ich mich als Künstler, ich habe das, wie du sagst auch studiert und habe da auch viele abstrakte Sachen gemacht. Zum anderen bewege ich mich sehr auf kommerziellen und plakativen Plattformen wie Joiz oder „Cover Me“. Es ist wie bei jeder Kultur: Jemand der sie nicht erlebt, kann sie nicht richtig darstellen. Deshalb wird sie oft komisch, falsch oder lächerlich dargestellt. Auf „Cover Me“ bezogen war es für mich eine schwierige Situation. Dort bestand die Gefahr, dass die HipHop-Kultur klischeeisiert wird, weil das natürlich funktioniert. Auf der anderen Seite fand ich aber, dass mit den Künstlern, die ich vorgeschlagen habe und der Art, die ich versucht habe reinzubringen es mir gelungen ist, die Kultur eben wieder im richtigen Licht erscheinen zu lassen. Allgemein in der Schweiz glaube ich nicht, dass HipHop so korrekt erfasst wird in der Grösse die er eigentlich hat. Es ist eine grosse Kunst-Form mit vielen Verästelungen. Ich glaube kein Medium in der Schweiz gibt dies wirklich sehr differenziert wieder.
 
Du rappst seit du 14 Jahre alt bist und bist nun seit vielen Jahren dabei in der Szene dabei. Wie hat sich diese in der Schweiz verändert?

Knackeboul: Das ist für mich etwas schwieriger, weil ich wie eine Zwischen-Generation gewesen bin. Ich bin nicht aus der Generation Black Tiger, Gleis Zwei oder auch Chlyklass. Ich bin da später dazugestossen, als die goldige Zeit bzw. der Aufstieg schon wieder vorbei war. Da war ein Vakuum, eine schwierige Generation zum rappen. Du hast ja auch mit Ugi gesprochen, er gehört ja auch irgendwie da rein. Es ist etwas gelaufen, aber es war jetzt nicht mehr so die „woah“-Zeit. Eine Zeit lang hatte ich viel mit Black Tiger Kontakt. Er sagte zum Beispiel, das war bei uns schon auch noch ein bisschen der Fall, dass wir nicht mal wussten wie man ein Beat macht. Wir haben es schon gesehen, aber wir haben nirgendwo eine MPC gefunden. Wir hatten bei uns in der Region keine Konkurrenz. Weit und breit hat bei uns niemand gerappt. Sicher mehr als zu Black Tiger – Zeiten, aber eben doch nur sehr wenige generell in Vergleich zu heute. Das ist sicher eine Entwicklung die ich sehe. Wenn heute jemand rappt hat er Ehrgeiz und Competition. Er hat durch neue Medien auch viel besser Zugang zu internationalen Acts. Und gefühlte 3000 Schweizer Acts. Das hat auch einen schlechten Aspekt. Es wird auch viel scheisse produziert. Auf der anderen Seite gibt es aber auch einen geilen Aspekt, dass Competition und Ehrgeiz entsteht. Das war bei uns noch nicht in diesem Ausmass der Fall. Wir haben dies mehr so als Ventil gebraucht und gemacht um nach dem Arbeiten oder studieren kreativ sein zu können und abzuschalten. Heute ist Competition und Karriere sicher ein wichtiger Faktor.

Dein neues Album „Knacktracks“ hast du auf einer Weltreise produziert und warst dabei in LA, Sao Paulo, NY, Amsterdam, Berlin, Paris und London. Das ist aussergewöhnlich und einmalig zugleich. Wie ist es dazugekommen?

Knackeboul: Ich arbeitete seit 3 Jahren mit Red Bull zusammen. Die ersten 2 Jahre habe ich Formate von Ihnen so wie als Job umgesetzt. Sie erfinden ja immer wieder neue Formate in allen Bereichen und sind weltweit mit der „Red Bull Music Academy“ einer der grössten Musikvernetzer. Beim dritten Jahr der Zusammenarbeit sind sie auf mich zugekommen und fragten ob ich eine Idee hätte, die wir gemeinsam umsetzen könnten. Ich sagte, dass ich ein grosser Fan der RBMA bin, aber leider keine Zeit habe mich zu bewerben. Jedes von meinen musikalischen Vorbildern hatte dort sicher mal eine Lecture oder einen Kurs gegeben. Oder hatte ich den Red Bull-Studios aufgenommen. In der Schweiz sind diese nicht so bekannt und ich möchte gerne ein Album aufnehmen. Win-Win, dann ist es passiert. Red Bull hat mir diese Reise finanziert und ich konnte sogar ein Team mitnehmen. Im Gegenzug ist es für Red Bull sicher eine gute Promo für ihre Studios. Dazu kam dass ich in der Schweiz auch irgendwo an meine Grenzen kam. Und ich hatte voll Bock und Lust mein Fernweh zu kombinieren mit meiner Musik. Für mich ist das ein riesiger Erfolg. Das Album wird aber nicht riesig kommerziell. Alle diese Leute kennenzulernen und in diesen Studios zu arbeiten, war etwas vom Besten was ich jemals gemacht habe.

In diesen Studios sind sehr renommierte Sound-Engineers und Musiker tätig. Wie war da die Atmosphäre und die Zusammenarbeit?

Knackeboul: Im ersten Studio in L.A. haben bereits Grössen wie M.I.A. aufgenommen. Vor mir hat 50 Cent aufgenommen, obwohl er jetzt nicht der innovativste ist, und auch Nicki Minaj war da. Eric Stenman hat alles diese Alben als Engineer aufgenommen. Das war absolut crazy. Und ich komme mit meiner Gudrun. Das ist manchmal etwas schwierig, weil es Loops drauf hat, die noch ein Geräusch draufhaben was da nicht drauf sein sollte. Ist manchmal etwas schwierig die Gudrun in solch ein Projekt einzubinden. Ich habe ihm quasi die Gudrun angeschossen und dann hat das „Boom“ gemacht und wir hatten ein tolles Projekt. Teilweise habe ich Beatbox-Loops gemacht und er hat diese dann in Hi-Hats, Bassdrum und Snares zerlegt, gleich mit den richtigen Effekten. Es war eine Sprache, die die Leute in der Schweiz erst noch am lernen sind. Amerika hat zudem auch diesen ausgeprägten Dienstleistungs-Gedanken. Ich bin mir noch nie so gut aufgehoben vorgekommen. Alles super speditiv. Ich hatte noch Ideen aber es war alles bereits quasi so erledigt worden, wie ich es mir vorgestellt hatte. In der Schweiz fehlt teilweise diese Routine noch. Der ganze Klang, dieses Equipment und die Atmosphäre war grossartig. Man merkt schon, dass alle diese grossen Künstler dort aufnehmen. Es ist alles auch superschön eingerichtet. Sogar der Backstage ist wie ein Fantasieland und es gibt superfeinen Kaffee. Es war sehr schön dies alles zu schnuppern und als Musiker auch richtig ernstgenommen zu werden. In der Schweiz kommt leider vielfach die Frage „Und, was machst du noch beruflich?“. Das ist dort schon anders.

Welche Aspekte sind dir wichtig wenn du Musik produzierst?

Knackeboul: Lustigerweise ist mir der Klang am wichtigsten. Wie der Sound tönt ist für mich das A und O. Darum habe ich mit vielen Schweizer Pop-Produtionen Mühe. Da finde ich dass es oft berechnend und gut gemacht ist, aber es hat wie keine Seele. Die meisten Musiker die ich höre sind Klangtüftler. Die haben alte Synthis und haben auf jeden Fall ihren eigenen Approach. Und haben nicht 10 Plugins von einem Klavier und einem Drum und machen dann einfach irgendwie. Auf meinem neuen Album sind 3 Songs nur entstanden weil ich den Juno, das ist ein uralter klassischer analoger Sythesizer von Domi Chansorn, welcher ein crazy Drummer und Musiker ist, abgekauft habe. Da war noch ein Sound drauf gespeichert und ich habe es gehört und es war einfach geil. Das hat dann 3 Songs gegeben. Wie Sachen tönen, wie tönt eine Snare, wie tönt der Bassdrum, wie tönt eine Synthi-Fläche. Ich liebe es damit rumzuspielen. Damit verkaufst du nicht wirklich viele Platten, aber es macht mir Spass.

Welche Eigenschaften sind dir als Rapper wichtig? Wie unterscheidet sich freestylen, bezüglich den Lyrics, im Vergleich dazu wenn man für ein Album länger Zeit hat um Texte zu schreiben?

Knackeboul: Ich würde jetzt sagen, ich bin im rappen ähnlich wie im beatboxen. Ich habe mal mit 17 Jahren an einem Battle teilgenommen. Ich bin nicht der beste Beatboxer der Schweiz, aber ich kann einfach irgendwie beatboxen. Ich habe einfach das musikalische Gespür. Bei den Texten ist es ähnlich. Ich will mich einfach irgendwie ausdrücken und habe die Mittel dazu. In den letzten 7 Jahren habe ich nicht daran gefeilt den perfekten Flow hinzukriegen. Es ist schwierig zu sagen. Ich bin nicht der Ober-Techniker. Wenn ich dies meinem Ego vor 5 Jahren gesagt hätte, dann würde ich mich über diese Aussage nerven. Ich wollte eine Zeit lang natürlich der schnellste und technisch perfekte Rapper sein. Inzwischen bin ich da etwas lockerer geworden. Leute, die Teile von meinem neuen Album bereits gehört haben, haben mir vorgeworfen es töne wie Skor oder Manillio. So à la nachgemacht. Obwohl es eigentlich ein Kompliment ist. Ich habe probiert es einfach mal etwas ruhiger angehen zu lassen und mehr Soul einfliessen zu lassen. Einfach etwas zurückgelehnter.

Welche Musik hörst du im Moment selber?
Knackeboul: Mein absoluter Lieblingstrack seit 3 Monaten ist von Alexander und heisst „Truth“. Vom Breaking Bad – Soundtrack. Ist ein Singer/Songwriter aus Los Angeles und hat auch einen Remix gemacht mit RZA. Ist mehr so Country/Folk aber er rappt irgendwo doch auch fast. Sonst noch Action Bronson, die Orsons, die höre ich zwar nicht viel aber ich finde die geil und Lance Butters aus Deutschland. Aber auch Kanye West, Kendrick Lamar und speziell A$AP Rocky. Seit ich sein Interview bei der RBMA gesehen habe als Mos Def, sein Vorbild, dazu kam. Die haben dann eine Stunde geredet. Das hat auch wie ein anderes Licht auf den Typen gegeben. Wenn man nur die Videos kennt, könnte man denken er sei sehr verdorben, Drogen, frauenverachtend etc. Er ist aber ein Gesamtkunstwerk. „L$D“ ist super. A$AP höre ich fast noch mehr als Kendrick Lamar. Kendrick ist auch geil, aber sein Album halt auch einiges anstrengender.


Und zum Schluss noch dies…

Massive Töne oder Freundeskreis?
Schwierig, schwierig. Kommt darauf an. „Cruisen“ von den Massiven geht nicht. Max Herre auch weniger. Wenn du „Quadratur des Kreises“ nehmen würdest dann FK. Wenn du „Überfall“ nehmen würdest dann MT. Es kommt darauf an welche Ära. Aber generell eher FK.

Trap oder Reggae?
Trap. Oh wow, es ist sehr schwierig. Ich mag Bob Marley sehr, entscheide mich aber für Trap.

OpenAir oder Club-Gig?
Club-Gig

Graffiti oder Breakdance?
Graffiti

Youtube oder Soundcloud?
Soundcloud

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