Freitag, 22. Mai 2015

„Du musst als Hörer in einen Film kommen, wo dir Bilder durch den Kopf schiessen“



Aktuell ist das neue Album „Maxilla“ der Luzerner Crew Moskito erschienen. Ein facettenreiches und aussergewöhnliches Werk. Rapper Luzi Rast äussert sich darin tief und pointiert über persönliche Themen und über das Weltgeschehen. Bei Moskito muss man gut zuhören um den Zugang vollständig zu erlangen. Für die souligen und spacigen Sounds ist der Produzent Flew zuständig. Das stimmige Klangbild runden Gesangssequenzen von Little Miss Sunshine ab. Wir sprachen mit Luzi über abgebrochene Studien, Offenheit und über die Entwicklung von Rap in der Schweiz.

Wortmaler: Kannst du uns etwas über den Entstehungsprozess vom „Maxilla“ erzählen?

Luzi: Das ist nun das zweite Album, dass ich mit meinem Produzenten Flew realisiert habe und deshalb waren wir bereits aufeinander eingespielt. Für dieses Album haben wir das Ganze nun noch etwas ausgebaut. Wir beide haben unser Studium abgebrochen und hatten deshalb viel Zeit und wir haben diese auch genutzt. Wir haben so 2, 3 Locations wo wir sounden können. Meistens schickt mir Flew Beats oder Skizzen und dann erfahre ich so den Vibe in welche Richtung es gehen könnte. Anschliessend schreibe ich, auch so skizzen-mässig, etwas und schicke es ihm wieder zurück. Er passt den Beat dann an und es geht wieder hin und her. Für mich ist das eine schöne Arbeitsweise. Schlussendlich gehen wir dann aber in’s Studio und erarbeiten zusammen das Endprodukt.

Wortmaler: Entstehen deine Tracks aus dem Moment heraus oder lässt du eine Song-Skizze auch mal mehrere Monate liegen?

Luzi: Das ist unterschiedlich. Ich habe Themen oder Bilder die ich mir notiere. Wenn ich dann Beats erhalte, schaue ich diese Notizen immer durch. Vielleicht kann ich etwas davon verwenden, wenn das Thema oder der Vibe stimmt. Es kam auch schon vor, dass ich Flew gesagt habe, über was ich schreiben möchte und er hat dies dann interpretiert. Oder ich habe einfach etwas auf einem fremden Beat aufgenommen. Bei diesem Album haben wir aber intensiv, fast täglich, daran gearbeitet und so sind schon viele Songs aus dem Moment heraus entstanden. Aus Jam-Sessions heraus, sozusagen. Manchmal haben wir einen Track etwas ruhen lassen und haben dann am nächsten Tag dort weitergearbeitet.

Wortmaler: Du hast dein Studium abgebrochen. Was für einen Einfluss hatte dies auf „Maxilla“?

Luzi: Es hatte vorallem einen Einfluss auf das erste Album. Flew und ich hatten das Studium unabhängig voneinander abgebrochen und sind dann in diese Welt eingetaucht. Dann sagten wir uns „OK nun reissen wir das“. Es hatte vorallem den Einfluss, dass wir in den letzten 2 Jahren so in diesen Musiker-Lifestyle hinein gekommen sind. Dieser kann sehr streng sein, bietet dir aber auch viele Freiheiten. Es ist nicht durchstrukturiert. Dieser Lifestyle als solches hatte grossen Einfluss auf dieses Album. Wir konnten voll in das Ganze eintauchen und waren nicht abgelenkt.

Wortmaler: Eure Musik fordert den Zuhörer auf, dass er sich mit ihr beschäftigt. Ist dies für dich als Künstler ein zentraler und wichtiger Punkt?

Luzi: Ich finde nicht, dass dieser Anspruch zwingend sein muss, wenn man Rap macht. Es ist genauso wichtig, dass es oberflächliche Musik gibt. Ich höre auch nicht immer anspruchsvolle Musik. Ab und zu benötige ich auch einen Party-Track. Zum Beispiel einen stupiden Trap-Song. Ich nehme mir nicht vor möglichst anspruchsvolle Musik zu machen. Für mich ist es schwieriger, einen einfachen, zugänglichen Song zu schreiben als einen anspruchsvolleren. Eigentlich habe ich aber nicht den Anspruch, dass es extrem deep oder poetisch sein muss. Das passiert einfach während dem Schreiben. Unser Album fordert einiges ab von seinem Zuhörer, das stimmt. Ich finde dies aber einen schönen Aspekt, denn ich auch immer etwas verteidige. Man soll sich Zeit nehmen für die Musik. Musik ist für jeden Menschen sehr wichtig. Ich glaube auch, dass vielfach die Musik wachsen muss oder sich erst nach einer gewissen Zeit offenbart. Das ging teilweise etwas verloren mit dieser Internet/Soundcloud-Mentalität. Ich schliesse mich da mit ein – aber ich will mir bewusst Zeit nehmen um Musik genau durchzuhören. 

Wortmaler: Viele Leute aus der Rap-Szene halten dich für extrem talentiert oder unterschätzt. Nimmst du das wahr? Ist das eher Druck für dich oder interessiert dich das gar nicht?

Luzi: Dieses underrated-Ding gefällt mir eigentlich gut. In dieser Position fühle ich mich wohl. Es ist nicht unbedingt Druck, es hält mich wach. Du bist nie angekommen, du bist immer am machen. Das ist eine schöne Position. Ich finde es natürlich cool, dass viele Leute aus der HipHop-Szene unsere Arbeit schätzen. Es gibt auch Leute die sagen „das ist ja gar kein HipHop mehr“. Aber viele Leute aus der Szene feiern unsere Musik und das freut mich. Ich komme vom HipHop und liebe HipHop. Schlussendlich machen wir zwar einfach unser Ding und wenn die Leute uns nicht folgen können, dann ist das halt so. Mich interessiert aber schon, was die HipHop-Szene darüber denkt, weil ich eben aus dieser komme.

Wortmaler: Deine Texte sind tiefgründig und subversiv. Was ist dir bei deinen Texten inhaltlich am wichtigsten?

Luzi: Musikalisch gesehen ist mir Atmosphäre am wichtigsten. Du musst als Hörer in einen Film kommen, wo dir Bilder durch den Kopf schiessen. Textlich nehme mir nicht vor sehr subversiv zu schreiben. Mir ist aber wichtig, dass ich mich mit meinem Umfeld und der Welt auseinander setze. Ich finde es wichtig, dass man sich Gedanken darüber macht. Das fliesst bei mir automatisch mit ein. Stimmung ist auch wichtig. Neben den persönlichen Sachen ist auf diesem Album auch ein politischer Aspekt miteingeflossen. Es passiert extrem viel auf dieser Welt. Es passiert sehr viel scheisse. Es überfordert uns und es ist eine Art Reizüberflutung. In unserem Umfeld sprechen wir sehr viel darüber. Es ist mir wichtig, dies dann in einem Song zu verpacken. 

Wortmaler: Welche Werte sind dir im Leben wichtig?
Luzi: Offenheit. Das ist ein Grundzug, den man dringend pflegen sollte. Etwas kindliches vielleicht, so dass man nicht voreingenommen ist. Bezogen auf Religion oder Hautfarbe zum Beispiel. Man sollte das Gedankengut von anderen Kulturen nicht einfach ausblenden. Man soll es zulassen und dann aber differenzieren. Du sollst selber deinen Kopf gebrauchen. 

Wortmaler: Gibt es einen Moment der dich am meisten geprägt hat?
Luzi: Ein wichtiger, einschneidender Punkt war als ich mit 16 Jahren die Kanti geschmisssen habe und mit einem Kollegen zusammen abgehauen bin. Wir sind Richtung Süden abgehauen und wollten die Welt sehen. Aber nicht so nach dem Motto „Hey alles ist scheisse“. Es war einfach ein naiver Gedanke. Mit vollbepacktem Rucksack und Skateboards sind wir losgezogen. Wir wollten nicht einfach in unseren Schulen oder in unserer Stadt steckenbleiben. Das war ein verdammt wichtiger Moment. Mein Leben ist da, in einem positiven Sinn, aus den Fugen geraten. Anschliessend war es ein bisschen ein Hin und Her zwischen Arbeit, Schule und Freizeit. Da hat mich zudem gemacht, was ich jetzt bin. Ich möchte das aber nicht verherrlichen. Meine Eltern haben da sehr gelitten. Ich wäre aber heute bestimmt nicht an diesem Punkt wo ich jetzt bin, wenn das nicht gewesen wäre. Wir haben einfach die Freiheit geschmeckt.

Wortmaler: Wer oder was inspiriert dich?

Luzi: Sehr viel Musik. Vielfach Sachen die nichts mit HipHop zutun haben. Viel Instrumentales. Es lässt dir einfach viel Platz zum interpretieren und ist anders als wenn dir jemand immer in’s Ohr rappt. Da kann ich mir meine eigenen Gedanken bilden. Auch Filme oder Dokumentationen. Und dann noch mein Umfeld. Wir haben viele Leute um uns herum, die ihr eigenes Ding durchziehen. Sehr viele kreative Leute, die sehr ambitioniert sind. Wir inspirieren und treiben uns gegenseitig an. Ich spreche da nicht nur von Musik, es gibt noch viele andere Bereiche. Für uns alle in Luzern ist dies eine grosse Inspiration.

Wortmaler: Aktuell ist Rap aus der Schweiz wieder regelmässig an vorderster Front in den Charts präsent. Die einstige Subkultur hat sich teilweise Richtung Mainstream bewegt. Wie beurteilst du diese Entwicklung?

Luzi: Sehr positiv. Als wir 2008 mit GeilerAsDu begonnen haben Rap zu machen, waren wir wie in einem Loch drin. Es gab früher diesen Hype mit Wrecked Mob und nachher gab es in Luzern lange nichts oder wenig. Heutzutage gehen die Kids wieder drauf ab. Ich finde es wichtig, dass es Schweizer Rap gibt. Zum Beispiel Eldorado FM kann nur so in diesem Land entstehen. So diese Art, das ist nicht kopiert, das ist Schweizer Rap. Mit dem können sich die Leute identifizieren, das finde ich schön.

Wortmaler: Was für Musik hörst du im Moment selber?

Luzi: Ich höre sehr viel von diesen Beatnerd-Sachen. Mit Flying Lotus hat sich für mich wie eine neue Welt geöffnet. Da kann man sich richtig reinnerden. Ich höre auch viel Jazz. Nehme dies dann aber nicht so analytisch auseinander, mehr als Hintergrund-Musik. Ich habe dies auch von meinem Vater mitbekommen. Und ich höre viel Rap. Immer noch. Ich interessiere mich für alles was releast wird. Aktuell gibt es soviel guten und vielseitigen HipHop. Kendrick Lamar, Schoolboy Q und Ab-Soul sind so meine Favoriten. Diese Attitüde gefällt mir einfach am besten. Sie erreichen eine gute Mischung aus conscious und gangsta.


Und zum Schluss noch dies…

Indie oder Techno?
Techno

Baze oder Tommy Vercetti?
Das ist schwierig. Baze.

Kendrick Lamar oder Earl Sweatshirt?
Ich feiere beide. Kendrick Lamar. Geht noch eine Runde weiter.

OpenAir oder Club-Gig?
Mit Moskito Club-Gig. Der Rahmen im Club passt besser. Wir haben letztes Jahr am B-Sides gespielt mit einem Slot in der Nacht. Das war sehr geil. Aber Moskito am Tag ist nur halb so geil. Der Vibe kommt geiler wenn es dunkel ist.

Breaking Bad oder die Sopranos?
Breaking Bad
 


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